Erfahrungsberichte von Studierenden und MitarbeiterInnen der ersten Generation

 

Im Rahmen des Projektes "Wege ins Studium öffnen" wurden 2015/16 Interviews mit Studierenden, Mitarbeitern/-innen sowie Professoren/-innen geführt, die selbst die ersten in ihrer Familie waren, die studiert haben. Im folgenden finden Sie diese Erfahrungsberichte.

Viel Spaß beim Lesen!

 

 

Palabiyik


Herkunft ist nicht entscheidend – sondern Selbstvertrauen!

 

Hamdi Palabiyik

Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Fakultät Wirtschaft 

Interview

Ich frage mich, ob sich mein Vater im Jahr 1974 schon vorstellen konnte, was mal aus seinen Söhnen werden würde: Damals war er gerade als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland gekommen und hat in der Stahlverarbeitung am Band gearbeitet. Meine Mutter ist ihm 1975 gefolgt und war Hausfrau. Meine Eltern haben beide insgesamt nur 10 Jahre Schulausbildung.

Aber meine zwei Brüder haben studiert wie ich. Mein ältester Bruder hat sein Studium zwar abgebrochen und einen anderen Weg in die Wirtschaft gefunden. Aber ihm, mir und meinem zweitälteren Bruder standen die Tore der Universität offen. Heute sind wir ein Außendienstmitarbeiter, ein Wirtschaftspädagoge und ein Hochschuldozent. Das hätte man in den 1970er Jahren drei Gastarbeiterkindern noch nicht unbedingt als Zukunft prophezeit!

Doch mein Vater wollte immer, dass seine Kinder es mal besser haben würden. Wir sollten eines Tages nicht von einer genauso harten körperlichen Arbeit leben wie er. Und dann gab es da noch eine alte Dame, die in unserer Kindheit in der Wohnung unter uns lebte. Nachmittags gingen wir oft zu ihr und lasen ihr vor. Wenn wir Fortschritte im Lesen gemacht hatten, schenkte sie uns Schokolade. Ich habe damals erleben dürfen, wie viel Antrieb es gibt, wenn ein junger Mensch ermutigt und gelobt wird. Es ist nämlich nicht wichtig, woher man kommt oder wie viel Bildung die Eltern haben – sondern nur, dass man die Motivation erhält, sich selbst zu vertrauen!

Ich bin also nach Kassel gegangen, um dort Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Ich habe einige Dinge erst einmal verstehen müssen, um mein Studium gut zu gestalten: Mich zu organisieren und die richtigen Veranstaltungen zu wählen, hat eine Weile gedauert. Zu Beginn des Studiums habe ich für Prüfungen immer allein gepaukt – wurde aber später viel besser, als ich mit Kommilitonen Lerngruppen gebildet habe. Die Gemeinschaft hat jeden Einzelnen von uns stärker gemacht. An der Ostfalia gibt es übrigens Unterstützung in den Bereichen Organisation und Zeitmanagement. Ich mache in meinen Vorlesungen immer viel Werbung dafür, weil ich durch meine eigenen anfänglichen Schwierigkeiten weiß, wie wertvoll solche Förderung ist!

Mir hat das Studium neben den fachlichen Inhalten noch viel mehr vermittelt: zum Beispiel, sich auf andere einzulassen, um so seinen eigenen Weg zu finden. Der Erfolg im Studium hat mir natürlich auch Selbstvertrauen gegeben. Und ich habe einen Job, in dem ich weitgehend frei über meine Zeit verfügen darf. Mit der Schichtarbeit meines Vaters hat das nicht mehr viel zu tun, und genau das hat er sich ja für seine Kinder gewünscht: dass sie eines Tages selbstbestimmter arbeiten können als er.

Seit ich als Dozent an der Ostfalia lehre, ist es vor allem die Gemeinschaft, die mich begeistert: Die Atmosphäre an der Hochschule ist durchweg hilfsbereit und freundlich. Die Studierenden kommen hier in eine offene Umgebung, und das hilft ihnen dabei, sich gut zurechtzufinden. Übrigens: Wer noch unsicher über die Studienwahl ist, kann einfach mal in eine Vorlesung gehen und herausfinden, wie sich die Hochschule „anfühlt“. Ich habe mit 15 Jahren meinen Bruder begleiten dürfen, und die Erfahrung hat mir damals viel Mut gemacht!


Freund

 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern der Mut, deinem Weg zu folgen!

 

Wencke Freund

Absolventin Studiengang Medienmanagement 

Interview

Ich bin nicht nur Studentin an der Ostfalia, ich bin auch als eine ihrer studentischen Botschafterinnen unterwegs. In dieser Rolle erzähle ich Interessentinnen und Interessenten von meinem eigenen Weg ins Studium und von meinen Erfahrungen an der Hochschule.

Zu meiner Geschichte gehört zum Beispiel, dass ich erst einmal einen Realschulabschluss in einer Kleinstadt bei Dresden gemacht habe. Mein Vater ist Lokführer, meine Mutter Finanzbuchhalterin. Beide fanden es vernünftig, dass auch ich erst einmal eine Ausbildung mache, und ich bin ihrem Rat gefolgt. Drei Jahre lang ließ ich mich zur Bürokauffrau in einem Autohaus ausbilden. Aber vom ersten Tag an wusste ich, dass ich mein Abitur nachholen möchte, und auch von einem Studium habe ich da bereits geträumt. Ich fand den Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt immer spannend und wollte gerne einen Weg einschlagen, der mich beruflich mit Medien in Berührung bringen würde. Das Abitur habe ich wie geplant nachgeholt, mein Notendurchschnitt reichte aber leider erst mal nicht für einen Studienplatz im Medienmanagement. Betriebswirtschaftslehre schien mir eine gute Alternative – aber das war ein Irrtum. 

Ich war in Würzburg gelandet und dort im BWL-Studium gar nicht glücklich. Einfach abbrechen wollte ich nicht, ich wünschte mir erst mal eine Bestätigung, dass mein ursprüngliches Ziel, ein Beruf in den Medien, die richtige Entscheidung sein würde. Zum Glück fand ich für sechs Monate einen Praktikumsplatz bei Volkswagen in Wolfsburg, wo ich im Bereich „ Events und Sponsoring“ Erfahrungen sammeln konnte. Das hat mich darin bestärkt, mich noch einmal für Medienmanagement zu bewerben – und dieses Mal bekam ich einen Studienplatz an der Ostfalia.

Das BWL-Studium habe ich mit gutem Gewissen abgebrochen, weil ich ja wusste, was mir eher liegen würde. Auch wenn es mir schwer fiel, schon wieder in eine neue Stadt, an eine neue Hochschule und unter neue Leute zu kommen. Jeder Wechsel ist erst mal ein Sprung ins kalte Wasser. Aber man trifft in einem Studium immer schnell Gleichgesinnte, denen es nicht anders geht als einem selbst. Und zusammen orientiert man sich gleich viel leichter! An der Ostfalia ist die Atmosphäre sehr familiär, bei Angeboten wie dem Lerncoaching wächst man als Gemeinschaft zusammen. Ich habe durch meinen ersten Anlauf in Würzburg den Vergleich mit einer wesentlich größeren Hochschule, deshalb weiß ich die Vertrautheit untereinander hier in Salzgitter umso mehr zu schätzen.

Studentische Botschafterin zu sein, macht mir großen Spaß: Ich habe früher manchmal als Messe-Hostess gearbeitet. Damals habe ich Autos vorgestellt, heute stelle ich mich selber vor! In dieser Aufgabe kann ich weitergeben, was ich auf meinem bisherigen Weg gelernt habe:

Wenn man als Erste in der Familie ein Studium beginnt, fühlt sich das vielleicht zunächst wie ein riesiger Schritt an. Aber er lohnt sich! Und falls man sich im ersten Anlauf bei der Studienwahl irrt, ist das nichts Schlimmes. Ein oder zwei Semester im unpassenden Studium sind keine verlorene Zeit. Man hat neue Leute kennengelernt, neue Kontakte geschlossen und viel über sich selbst herausgefunden. Die eigene Welt wird schließlich mit jedem neuen Schritt ein bisschen größer. Hauptsache, man erkennt, wohin die eigene Reise gehen soll!


Hoffmann 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern Rückenstärkung!

 

Thomas Hoffmann

Leiter des Career Service und des Service-Büros in Salzgitter

Interview

Nicht jeder Lebenslauf ist geradlinig: Manchmal muss man verschiedene Szenarien durchspielen, ehe man sein endgültiges Ziel kennenlernt. Was habe ich früher selbst nicht alles in Erwägung gezogen! In meiner Schulzeit wollte ich Tontechniker werden, am liebsten beim Fernsehen oder Rundfunk. Später habe ich überlegt, mich zum Diakon ausbilden zu lassen. Die Entscheidung für mein Studium der Elektrotechnik, Schwerpunkt Nachrichtentechnik, lag nicht von Anfang an auf der Hand.

Auch mein Vater hat sich lange ausprobiert, ehe er in relativ hohem Alter noch einmal eine Ausbildung zum Tierpfleger begonnen hat: Meine Familie hatte einen kleinen Bauernhof bei Göttingen. Neben der Hofarbeit hat mein Vater mal im Straßenbau gearbeitet und mal am Fließband. Meine Mutter war für die Kinder zuständig und hat ebenfalls auf dem Hof gearbeitet.

Mein Weg blieb abwechslungsreich und vielseitig: Um neben dem Studium Geld zu verdienen, habe ich eine körperlich behinderte Frau betreut, war Möbelaufbauer in einem Einrichtungshaus und später studentische Hilfskraft in einem Labor der Elektrotechnik. Und im ersten Studienjahr blieb der Respekt vor dem Studium – schaffe ich das überhaupt? Glücklicherweise bekam ich Rückenstärkung an der Uni: Ein studentischer Studienberater setzte sich mit mir zusammen und half mir bei der Entscheidung für den Studienplatz. Diese Art der Unterstützung finde ich ganz wichtig: Wenn der eigene Mut mal nachlässt, ist es wichtig, dass einem jemand zur Seite steht und konkret berät.

Auch an der Ostfalia wird niemand alleingelassen. Es ist ganz und gar nicht ungewöhnlich, wenn an der Hochschule zwischendurch Unsicherheiten auftauchen. Gerade dann, wenn man nicht auf Erfahrungen von Familienmitgliedern zurückgreifen kann, die selbst schon erfolgreich ein Studium absolviert haben. Neben Beratungsstellen sind dann zum Beispiel Arbeitsgruppen sehr wertvoll. Der harte Kern meiner eigenen Lerngruppe an der Universität hat das ganze Studium über zusammengehalten und sich gegenseitig bestärkt.

Heute berate ich selbst Studierende an der Ostfalia: Unter anderem im Career Service, wo wir z.B. bei Bewerbungen für Praxissemester oder die erste Einstellung nach dem Studium unterstützen. Ich brenne regelrecht für die Studierendenberatung. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich selbst während meines Studiums Zeiten der Orientierungssuche kennengelernt habe und dann immer Hilfe innerhalb der Hochschule finden konnte. Das möchte ich heute weitergeben.

Ich rate voller Überzeugung dafür, das vielfältige Beratungsangebot der Ostfalia zu nutzen. Wer noch nicht sicher ist, welches Fach die beste Wahl sein wird oder ob ein Studium überhaupt die richtige Entscheidung ist, findet sich hier gut aufgehoben. Wir nehmen in der Beratung auf jeden Fall Berührungsängste! Selbst wenn es hinterher nicht auf ein Studium hinausläuft, ist es ein gutes Gefühl, alle Möglichkeiten kennengelernt und geprüft zu haben. Dabei können wir helfen!


Thiele

 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern der Glaube an sich selbst!

 

Kathrin Thiele

Professorin Fakultät Maschinenbau

Interview

Mathematik gehört zu meinem Leben einfach dazu, schon vor der Schule konnte ich rechnen, im Abi waren meine Leistungskurse Mathe und Physik, später habe ich Mathe studiert und jetzt unterrichte ich das Fach, ein ziemlich stringenter Lebenslauf also. Doch es gab auch ein paar spannende weitere Stationen zwischen dem Abi und der Professur.

Ich komme nicht aus einer typischen Akademikerfamilie, obwohl meine drei Schwestern und ich allesamt studiert haben. Meine Eltern haben beide die Volksschule besucht. Meine Mutter hat Bankkauffrau gelernt und mein Vater ist Fleischermeister, zusammen führten sie eine Fleischerei. Dennoch war Bildung bei uns stets ein wichtiges Thema. Wären die Zeiten anders gewesen, hätten meine Eltern auch studiert, da bin ich mir sicher. Unsere Eltern hatten zwar nichts dagegen, dass wir studierten, setzten sich aber sehr dafür ein, dass wir vorher einen Beruf lernen sollten. Sie wollten, dass uns bewusst wird, was es heißt, zu arbeiten, dass wir selbst die Position der Mitarbeiter erleben sollten, bevor wir später weisungsbefugt wären.

Wir Schwestern haben nie Aussagen wie: „So etwas machen Mädchen nicht“ von unseren Eltern gehört. Wir hatten eine Autorennbahn und waren beim Fußball. Wir haben immer alles ausprobiert. Meine Eltern kannten aus ihrer Jugend noch die klassische Rollenverteilung, aber bei uns war es anders. Sie haben akzeptiert, dass Mädchen ihren Weg machen und dass das auch gut so ist.

Nach dem Abitur war ich ein Jahr im Ausland. Ich habe in Brasilien ein freiwilliges diakonisches Jahr in einem Altenheim gemacht. Danach habe ich direkt ein Studium begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war ich ziemlich offen, bei der Wahl des Faches. Ich schwankte zwischen Sozialpädagogik, Maschinenbau und Mathematik. Ausschlaggebend war letztlich, mit dem, was ich studierte, später auf eigenen Füßen stehen zu können. Meine beste Freundin war auch ein Jahr im Ausland. Unabhängig voneinander schrieben wir uns für Mathe ein. Wir blieben beide in Hannover und haben das gesamte Studium zusammen durchgezogen. Wir waren ein richtig gutes Team, haben zusammen gelernt und später auch zusammen die Diplomarbeit geschrieben.

Was mir gleich zu Anfang des Studiums sehr half, war meine Fachschafts-Arbeit, denn dadurch erhielt ich nicht nur Zugang zu vielen Räumen, sodass mir der Unikomplex nicht mehr so fremd erschien, sondern auch Kontakt zu Studierenden aus den höheren Semestern und verstand so viel besser, wie das Studium läuft. Meine Tätigkeit als Hiwi erst im Bereich Mathe und später bei den Maschinenbauern war auch insofern wichtig, als ich dadurch mit Ingenieurswissenschaften in Berührung kam, dem späteren Schwerpunkt meines Studiums. Außerdem schlossen wir uns mit einigen anderen Kommilitonen zu einer Lerngruppe zusammen, das war sehr hilfreich. Mein Studium empfinde ich im Nachhinein als eine sehr schöne Zeit. Auch wenn ich nicht jede Prüfung im ersten Anlauf bestand – grundsätzliche Zweifel an meiner Entscheidung hatte ich nie.

Nach meinem Studium 1994/95 gab es für Ingenieure und Mathematiker kaum Stellen. Also ging ich für meine Promotion im Bereich der angewandten Mathematik nach Erlangen. Danach war ich insgesamt fünf Jahre bei der Continental AG in Hannover im Bereich der Simulation für die Reifenentwicklung tätig – bis ich eines Tages eine E-Mail von Ferrari in meinem Postfach fand: Ich sollte mal meinen Lebenslauf schicken und anrufen. Wie sich herausstellte, hatte einer meiner späteren Kollegen bei Ferrari einen Vortrag von mir gehört. Ferrari brauchte jemanden mit Erfahrung in der Entwicklung und Simulation von Reifen. Es gibt es nicht viele Leute, die das machen. Und wenn, kennt sie niemand, weil sie im Verborgenen arbeiten. So ging ich nach Italien zu Ferrari und arbeitete von 2003 bis 2008 bei der Formel 1. Zu meinen Aufgaben gehörten Reifenberechnung und Fahrdynamik. Durch die Analyse dieser Informationen war eine bessere Abstimmung mit dem Reifenhersteller möglich, denn man konnte sagen, in welchen Punkten der Reifen verbessert werden musste. Ich kannte viele aus dem Race-Team und war auch ab und zu bei Rennen in der Box. Das war schon etwas Besonderes.

Dennoch war mir klar, dass ich nicht für immer in Italien bei Ferrari bleiben wollte. 2008 beschäftigte mich die Frage, was nach Ferrari kommen könnte. Ich hätte z. B. nicht von Ferrari zu Volkswagen gehen wollen. Allerdings hatte ich Lust dazu, wieder mit Studenten zu arbeiten. Ich hatte schon im Studium gescherzt, dass ich später einmal Mathevorlesungen an einer FH halten möchte, denn ich kannte einige Leute, die an einer FH studiert hatten und sich über die Mathevorlesung beschwerten. Der Gedanke war also schon entstanden, bevor ich wusste, ob ich überhaupt promovieren würde. In meiner Zeit bei der Continental AG setzte er sich fest, da ich immer wieder Kontakt zu Praktikanten und Diplomanden von der FH hatte. Und schließlich wurde genau zum richtigen Zeitpunkt hier eine Stelle ausgeschrieben.

Ich bin gerne an der Hochschule, gebe gerne Vorlesungen und habe Spaß an der Arbeit mit den Studierenden. Ich helfe ihnen gerne, weiterzukommen und begleite sie auf ihrem Weg. An der Arbeit an der Hochschule schätze ich auch, dass ich mir die Zeit weitgehend frei einteilen kann. Dies ist besonders als Mutter von zwei Kindern wichtig. Aber auch in der Wirtschaft ist es heute als Ingenieur/in deutlich einfacher geworden, Arbeit und Familie zu verbinden. Seit 2008 gebe ich Vorlesungen im Bereich Mathematik und Mechanik. Ich schaue, wie ich eine Vorlesung interaktiver gestalten kann, damit die Studierenden Konzepte besser verstehen und nicht lediglich Rechenwege auswendig lernen. Ich beobachte aber immer wieder, dass Aufgaben zwar gelöst, aber nicht verstanden werden. Ich habe den Eindruck, dass Studierende, die über den zweiten Bildungsweg kommen, mehr Schwierigkeiten haben, was z. B. die Organisation angeht. Wobei ich das nicht auf das Elternhaus zurückführe. Abiturienten haben schon einmal für eine große Prüfung gelernt und mussten in Mathe Stoff von zwei Jahren aufarbeiten. Andere sind das Lernen in diesem Umfang nicht gewohnt. Ich rate immer wieder zu Lerngruppen und zum Lerncoaching. Es ist wichtig, sich Hilfe zu holen, auch wenn man es nicht gewohnt ist. Ich empfehle ebenfalls, möglichst in der Hochschule zu lernen und nicht immer gleich nach Hause zu fahren.

Wenn man ein Studium wirklich will, lohnt es sich immer. Man muss Interesse an dem Fach haben. Das habe ich auch bei meinen Schwestern beobachtet: Wenn man aus eigenem Antrieb beginnen möchte und wirkliches Interesse hat, ist es auch mit 40 nicht zu spät.

Man sollte immer an sich glauben. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Leute, die glauben, dass sie Mathe können, sich deutlich länger mit schwierigen Aufgaben befassen, als diejenigen, die denken, dass sie es nicht können. Wenn man daran glaubt es zu schaffen, dann hält man länger durch. Gleicher Wissensstand, aber unterschiedliche Haltung kann also einen großen Unterschied im Erfolg bedeuten!


Rintelmann

 

Herkunft ist nicht entscheidend, sondern sich selbst etwas zuzutrauen!

 

Marcus Rintelmann

Absolvent Studiengang Elektro- und Informationstechnik 

Interview

Als gebürtiger Braunschweiger lebe ich seit 20 Jahren in Salzgitter. In meiner Familie bin ich die erste Person, die ein Studium begonnen hat. Mein Vater ist Polizeibeamter, meine Mutter Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Mittlerweile studiere ich im zweiten Semester den Masterstudiengang Fahrzeugtechnik. In meiner Freizeit spiele ich gern Handball, reise mit meiner Freundin und bin an der Hochschule als First-Generation-Student tätig.

2008 habe ich die Realschule mit dem erweiterten Sekundarabschluss abgeschlossen. Wie sollte es nun weitergehen? Nach Beratung mit meiner Familie entschied ich mich zunächst für eine Ausbildung zum Elektroniker bei VW. Elektrotechnik hat mich schon immer interessiert. Nach dreieinhalb Jahren Ausbildung wurde ich vom Betrieb direkt übernommen und arbeitete in der Produktion. Diese Tätigkeit hatte aber leider nichts mehr mit meinem erlernten Beruf zu tun. Deshalb war mir schnell klar, dass ich so nicht weitermachen möchte. Also suchte ich nach Möglichkeiten, über die Abendschule einen weiteren Abschluss im Bereich Techniker oder einen Meistertitel zu bekommen. Dann kam der Informationstag „ Studium unter der Lupe“. Dort kam mir erstmals die Idee, ein Studium zu beginnen.

Anschließende Beratungsgespräche mit Professoren und Studenten machten diese Perspektive noch interessanter für mich. Nachdem ich die vielen beruflichen Möglichkeiten erkannte, die mir mit einem akademischen Abschluss offenstehen würden, entschloss ich mich, Nägel mit Köpfen zu machen und ein Studium zu beginnen. Meine Familie war überrascht über meine Entscheidung, unterstützt mich aber tatkräftig bis heute.

Zunächst besuchte ich noch für ein Jahr die 12. Klasse der Fachhochschule Technik, um die Hochschulberechtigung zu bekommen. Das 11. Schuljahr wurde mir dort dank meiner abgeschlossenen Ausbildung anerkannt.

Bevor es endlich losgehen konnte mit Studium, absolvierte ich einen dreiwöchigen Mathevorkurs. Dort wurden die Kenntnisse der Studierenden auf ein einheitliches Level gebracht. So gab es ein gutes Fundament für die Mathevorlesungen im ersten Semester. Vor der ersten Java-Vorlesung hatte ich einige Zweifel, ob ich dort richtig bin, da ich keine Erfahrung im Programmieren hatte. Zum Glück erklärte der Professor den Lernstoff aber von Grund auf. So lösten sich meine Bedenken schnell in Luft auf. Und wenn ich einmal etwas nicht sofort verstanden hatte, ließ sich dieser Lerninhalt gut in einer Lerngruppe aufarbeiten.

Im ersten Semester gab es unheimlich viel Stoff. Ich musste meine Lernmethode völlig umstellen. Zwei Tage vor einer Prüfung schnell etwas auswendig zu lernen mag in der Schule funktionieren. Im Studium geht das nicht. Das merkte ich, als ich durch eine Prüfung fiel. Um das Verständnis des Stoffes zu vertiefen, gibt es zu einigen Vorlesungen freiwillige Übungsblöcke, die so genannte Tutorien. Diese werden von Studierenden aus höheren Semestern geleitet, wodurch eine angenehme Arbeitsatmosphäre entsteht.

Meiner Meinung nach sollte jeder versuchen, ein Studium zu beginnen. Denn wenn man nach einem Semester feststellt, dass das Studieren einem gar nicht liegt, hat man nichts verloren. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt!


Pape

 

 

 

 

 

 

Lennart Pape

ehemaliger Student Sportmanagement

Interview

Bei der Entscheidung für meinen jetzigen Studiengang war mir vor allem wichtig, dass ich mir vorstellen konnte, lange in diesem Beruf arbeiten zu können. Ich wollte das Gefühl haben, etwas zu machen, was mich bis zu meiner Rente begeistern kann. Bis ich gefunden hatte, wonach ich suchte, habe ich jedoch meine Fühler auch in einige andere Richtungen ausgestreckt.

Ich stamme, genau wie der Rest meiner Familie, aus Lemgo in der Nähe von Bielefeld. Auf dem Gymnasium habe ich mich zunächst eher schlecht als recht durchgeschlagen. Erst ab der 12. Klasse, als ich meine Fächer selbst wählen und tiefer in die jeweilige Materie eintauchen konnte, wurde mein Interesse geweckt, ich engagierte mich wieder mehr und das Lernen fiel mir leichter.

Zu der Zeit wurde mir auch bewusst, dass ich im Gegensatz zu meinen Freunden, die eine Ausbildung begonnen hatten, ganz schön viel freie Zeit für mich und meine Hobbys hatte. Ein Studium mit den dazugehörigen Freiheiten schien mir vor diesem Hintergrund immer mehr genau die richtige Option zu sein.

Ich wusste auch, dass ich etwas im Sportbereich machen wollte, allerdings nicht im praktischen Bereich. So bewarb ich mich nach dem Abi an der Universität Bielefeld für den rein theoretischen Studiengang Sportwissenschaften – wurde jedoch nicht angenommen. Da ich damit nicht gerechnet und somit keinen Plan B parat hatte, schrieb ich mich kurzerhand an der Universität Bielefeld für den NC-freien Studiengang Wirtschaftsmathematik ein. Doch mir wurde schnell klar, dass das nicht das Richtige war. Ich nutzte also die Zeit, um Vorlesungen anderer Fachbereiche zu besuchen und Dinge zu unternehmen, für die ich mir bis dahin keine Zeit genommen hatte, wie durch NRW zu reisen. Und machte einen weiteren Anlauf in Richtung Sport: Sportwissenschaften in Bochum war mein Ziel – das ich jedoch aufgrund einer langwierigen Verletzung am Knie wiederum nicht erreichte. So ging ich einen letzten Umweg und schrieb mich für Soziologie und Jura an der Uni in Frankfurt ein. Das Studium gefiel mir, doch der Umzug in eine so große Stadt machte mir zu schaffen. Als mir ein Mitspieler in meiner Fußballmannschaft von seinem Studium in Salzgitter vorschwärmte, entschloss ich mich, noch einmal zu wechseln.

Und habe es keine Sekunde bereut: Ich studiere nun im vierten Semester Sportmanagement an der Ostfalia in Salzgitter und habe das Gefühl, genau das Richtige für mich gefunden zu haben. Das Studium ist anspruchsvoll und spannend. Es erfordert gerade jetzt im vierten Semester Selbstorganisation und eine gute Arbeitsmoral, da viele Projekte neben den Vorlesungen erledigt werden müssen.

Die vielen Umwege haben sich letztlich gelohnt, rückblickend hätte ich mir jedoch vor meiner Studienwahl eine intensivere Beratung von einer Beratungsstelle – ob Zentrale Studienberatung einer Hochschule oder Agentur für Arbeit – gewünscht, die über die vielen Möglichkeiten, von denen man ja zunächst gar nichts ahnt, informiert hätte. Umso mehr freue ich mich, durch meine Anstellung bei den First Generation Students Vorträge über meinen persönlichen Werdegang an Schulen halten oder Interessierte auf Messen beraten zu dürfen.

Der wichtigste Faktor für mein erfolgreiches Studium ist die Aufgeschlossenheit meiner Eltern. Ohne ihre Offenheit wäre ich wohl jetzt nicht an der dritten Hochschule. Sie haben mir nie Druck gemacht oder mir etwas vorgeschrieben, mich aber, wenn es nötig war, immer unterstützt und frei handeln lassen. Sie selbst haben nicht studiert, sondern sind Beamte. Mein Vater ist Polizist an einer Polizeischule und arbeitet dort im technischen Bereich. Meine Mutter ist beim Gericht bei der Verwaltung angestellt. Mein Bruder hat nach der Realschule eine Ausbildung begonnen, dann bis 23 gearbeitet und studiert nun seit drei Jahren in Münster an der Universität.

Für mich war das Studium eine super Möglichkeit, zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen – nicht nur durch den Auszug aus dem Elternhaus, sondern auch durch die Möglichkeit, sich noch einmal neu zu orientieren, falls einem der Studiengang nicht gefällt. Inzwischen studiere ich sozusagen mein Hobby, wodurch das Studium für mich zu einer Art Selbstverwirklichung wird.

Die Ostfalia bietet alle nur denkbaren Vorteile einer kleinen, aber feinen Hochschule, von direktem Kontakt zu den kompetenten und immer ansprechbaren Dozenten, einer überschaubaren Studentenschaft, die es erlaubt, leicht Kontakte zu knüpfen, bis hin zu vielen Zusatzqualifikationen und Hilfsangeboten für Studierende, wie zum Beispiel das Lerncoaching. Die Hochschule ist sehr modern, da sie noch „jung“ ist, und sehr praxisbezogen. Und dieser Praxisbezug macht das Studium greifbar und interessant!

Nicht zu vergessen ist natürlich der Freiraum, der mit meinen Vorstellungen von Studium eng verbunden war. Man bekommt nie wieder so viel Freiraum wie im Studium. Einerseits kann man so immer entscheiden, ob man z. B. zur Hochschule geht oder zu Hause bleibt, aber andererseits muss man dann auch mit den Konsequenzen leben können.


Ott-Welke

 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern Durchhaltevermögen!

 

 

Sylvia Ott-Welke

Projektleiterin am Institut für Recycling der Fakultät für Fahrzeugtechnik

Interview

Heute sehen meine Studierenden hier an der Ostfalia mich in meiner Rolle als Projektleiterin, als Lehrende, als eine, „die es geschafft hat“. Was sie nicht sehen können, ist der lange Weg bis hierher. Gerne gebe ich daher einen kleinen Einblick in meine Geschichte, die sich vermutlich gar nicht so sehr von der vieler anderer unterscheidet.

Aufgewachsen bin ich als eine von acht Schwestern im ländlichen Umfeld von Wolfsburg. Meine Mutter war Hauswirtschafterin, mein Vater Schweißer und viel unterwegs. Als ich nach der 10. Klasse die Schule mit einem Hauptschulabschluss verließ, war mir klar, dass das nicht alles sein konnte, dass ich mehr vom Leben wollte. Doch es gab einige Steine auf meinem Weg, die das Fortkommen immer wieder behindern sollten.

Mit 19 bekam ich mein erstes Kind. Als mein Sohn fünf Jahre alt war, beschloss ich, zu studieren. Dafür holte ich innerhalb von vier Jahren zunächst den Realschulabschluss und dann das Abitur nach.
Unterstützung vonseiten der Familie erhielt ich lediglich in Form von Aussagen wie: Abitur sollen Leute machen, die dazu geboren sind – sie ahnten ja nicht, wie mich solche Statements dazu motivierten, erst recht durchzuhalten! Meine Leidenschaft gehörte den Naturwissenschaften, ich hätte gerne Landwirtschaftsarchitektur in Göttingen studiert – doch eine Erkrankung meines Sohnes hielt mich leider davon ab. Stattdessen begann ich eine Gärtnerausbildung. In dieser Zeit wurde ich zum zweiten Mal schwanger und schaffte es gerade noch, hochschwanger meine Abschlussprüfung abzulegen. Der Spagat zwischen Kinderbetreuung und Ausbildung bzw. Geldverdienen – denn ich erhielt keinerlei Unterstützung – zog sich durch meinen gesamten Ausbildungsweg und verursachte ein chronisches schlechtes Gewissen meinen Kindern gegenüber.

Nach einer Zeit der Selbstständigkeit, in der ich mich zur Betriebswirtin weiterbildete, zerbrach die Ehe und ich war alleinerziehend mit einem fünf- und einem 17-jährigen Kind. Die Arbeit als Gärtnerin war hart und wenig ertragreich, und als meine Tochter zehn Jahre alt war, nahm ich meinen ursprünglichen Wunsch, zu studieren, endlich wieder auf. Die Wahl fiel auf Produktions- und Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Recycling an der Ostfalia in Wolfsburg.

Nach einigen weiteren bürokratischen Hürden konnte ich 2007 endlich beginnen. Vor allem in den ersten drei Semestern, in denen es um den Erwerb von Grundlagenwissen geht, war die Mehrfachbelastung in Form von Kindererziehung, Arbeit und Lernen kaum auszuhalten. Hätte ich nicht den unermüdlichen Zuspruch einer Freundin und meiner Dozentin gehabt, hätte ich vermutlich früher oder später das Handtuch geschmissen. So aber habe ich es geschafft, 2012 das Studium mit einer Diplomarbeit am Institut für Recycling zu beenden und konnte dann direkt zum Start des Projektes „Recycling von Photovoltaikmodulen“ hier am Institut anfangen.

Was ich nach dieser Erfahrung unbedingt allen Studierenden ans Herz legen möchte, ist das Lerncoaching, das an der Ostfalia angeboten wird. Ich habe leider erst zu spät davon erfahren, es kann jedoch z. B. beim Zeitmanagement eine große Hilfe sein, wenn man sich rechtzeitig darum bemüht, und nicht erst kurz vor den Klausuren.

Außerdem möchte ich ausdrücklich auch Frauen ermutigen, sich naturwissenschaftliche und technische Studiengänge zuzutrauen und ihre Interessen unabhängig von eventuellen gesellschaftlichen Normen zu verfolgen.

Generell bin ich nach all meinen Erfahrungen der Ansicht, dass es sich lohnt, im Studium durchzuhalten und kritische Punkte, an denen man ernsthaft zweifelt, zu meistern und weiterzumachen, nicht aufzugeben, man geht gestärkt daraus hervor.


Neuse

 

 

 

 

 

 

Yvonne Neuse

Lerncoach am Standort Suderburg

Interview

Ich weiß genau wie es sich anfühlt, sich ein großes Ziel zu setzen und in Momenten, in denen der Weg dorthin (noch) nicht klar zu erkennen ist, immer wieder mal Zweifel zu haben, ob das Ziel nicht vielleicht doch „zu groß“ ist. Früher – im Studium – mochte ich dieses Gefühl der Unsicherheit nicht … heute zeigt es mir an, dass ich bereits auf dem Weg bin.

Mein Vater ist gelernter Elektriker, meine Mutter Großhandelskauffrau und mein jüngerer Bruder arbeitet als Erzieher. Aufgewachsen bin ich in Hannover, wo ich auch zur Schule ging. Irgendwann stellte sich die Frage, was ich nach dem Abitur machen würde. Neben Englisch hatte ich schon früh Interesse an Psychologie und Pädagogik und so lag ein Lehramtsstudium zunächst nahe. Mit meinem Vorhaben zu studieren, war ich die Erste aus meiner Familie, die eine akademische Laufbahn anstrebte.

Nachdem ich eine Orientierungsveranstaltung an der Uni besuchte und mich daraufhin immer intensiver mit den verschiedenen Studiengängen auseinandersetzte, entschied ich mich letztlich für den Magisterstudiengang Sozialpsychologie mit den Nebenfächern Pädagogik und Philosophie und schrieb mich direkt nach dem Abitur an der Leibniz-Universität in Hannover ein.

Im Studium selbst war ich zunächst unerwartet überfordert. Dieses Gefühl kannte ich aus meiner Schulzeit überhaupt nicht. Vieles war unbekannt, neu und einfach anders. Angefangen von der Selbstorganisation, dem Lernen an sich, bis hin zur akademischen Sprache und dem Tempo der Lehrstoffvermittlung.Zu diesem Zeitpunkt dachte ich ernsthaft, ich wäre der einzige Mensch an der Uni, der bestimmte Dinge nicht wusste oder nicht konnte. Zwischendurch stellte ich mir auch immer wieder mal die Frage, ob ein Studium im Allgemeinen, oder mein Studiengang im Besonderen überhaupt das Richtige für mich sei. Zum damaligen Zeitpunkt hätte ich mir sehr so etwas wie einen Lerncoach an der Uni gewünscht, um dort meine Fragen und Bedenken zu besprechen und für mich geeignete Lösungen zu finden.

Da es so etwas nicht gab, nahm ich all meinen Mut zusammen ging zum AStA, fragte mich schlau und war froh, dass ich offensichtlich doch nicht die Einzige war, die Fragen hatte. Ab diesem Augenblick wurde es deutlich einfacher, aber noch lange nicht leicht.

Die meisten Steine hab ich mir meist unbewusst selbst in den Weg gelegt, weil es Dinge gab, mit denen ich mich zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht auseinandersetzen mochte. Zum Beispiel meine Angst vor Gruppen zu sprechen. Ich vermied es konsequent, Referate zu halten. Ich nahm es lieber auf mich, wesentlich arbeitsintensivere Hausarbeiten zu schreiben, um mich nicht der Gefahr auszusetzten, vor den Augen der anderen auch einmal zu scheitern. Heute liebe ich die Herausforderung, mal etwas nicht auf Anhieb zu schaffen und Stück für Stück dazuzulernen, um beim nächsten Versuch über mich selbst hinauszuwachsen.

Auch wenn ich im Schreiben von Hausarbeiten am Ende des Studiums eine gewisse Routine hatte, fehlte mir die Vorstellungskraft, wie ich eine komplette Magisterarbeit verfassen sollte. Groß war meine Unsicherheit, was da eigentlich von mir erwartet wurde.

Dieses Gefühl hielt bis zu dem Zeitpunkt an, an dem ich erfuhr, dass man in der Bibliothek alte Magisterarbeiten einsehen kann. Ich suchte mir ein paar Arbeiten aus meinem Fach- und Interessengebiet heraus, las sie und wusste: „Das ist zu schaffen. Das kann ich auch!“ Meine Magisterarbeit wurde dann meine persönliche Auseinandersetzung mit Sigmund Freud, dem Vater der Psychoanalyse, den ich schlichtweg doof fand, weil er im Prinzip ständig auf der Suche nach Ursachen für (Fehl-)Verhalten war, anstatt einem zu sagen, was man versuchen könne, um aus seinen eigenen Fehlern zu lernen – ein Thema, das mich immer noch begleitet: Warum sind uns unsere Fehler so wahnsinnig unangenehm? „Trial and error“, durch Versuch und Fehler sind schließlich die größten Erfindungen unserer Zeit gemacht worden!

Letztlich war ich froh und stolz, das Studium erfolgreich geschafft zu haben. Ein fester Wille und Durchhaltevermögen auch in schwierigen Zeiten, waren mein Antrieb in dieser Zeit. Danach stellte sich mit dem Berufseinstieg die Frage, ob ich all das, was ich im Studium theoretisch gelernt hatte, auch in der Praxis anwenden konnte. Zunächst lief alles erstaunlich gut, doch es dauerte nicht lange und man bat mich, meine Vortrags- und Präsentationskompetenzen unter Beweis zu stellen. Die im Studium perfektionierten und erfolgreich genutzten Vermeidungsstrategien waren plötzlich gänzlich unbrauchbar. Es half nichts: Ich musste da durch – eine Hausarbeit zu schreiben war hier einfach keine Option! Ich habe bei meinem ersten Fachvortrag zwar Blut und Wasser geschwitzt, stellte aber im Nachhinein fest: So schlimm ist das gar nicht! Es gab noch so einiges zu optimieren, aber plötzlich hatte ich Lust darauf bekommen, genau hier weiter an meinen Kompetenzen zu feilen. Seitdem arbeite ich in der Praxis kontinuierlich an mir selbst, meinem Vortragsstil, meiner Art Wissen interessant aufzubereiten und nachhaltig zu vermitteln. Das Feedback meiner TeilnehmerInnen gibt mir Anlass zu glauben, dass ich nicht vollkommen daneben liege.

Heute macht es mir wirklich Freude, mich immer wieder mal selbst herauszufordern z.B. mit einer Lehrtätigkeit für englischsprachige Masterstudierende oder mit meinem Vorhaben, meine Doktorarbeit zu schreiben – natürlich auch auf Englisch, ein bisschen Spaß muss schließlich sein!

Hätte mir jemand im Studium erzählt, dass ich einmal freiwillig und mit Freude vor Gruppen Lehrinhalte vermittle, Workshops leite und als Lerncoach an einer Hochschule Studierende dabei unterstütze, ihren ganz eigenen, individuellen Weg zu finden, hätte ich ihn oder sie ausgelacht.

„Umwege erhöhen die Ortskenntnis“ – ist eine meiner Lieblingsweisheiten. Ich glaube heute, dass ein Studium sich lohnt, weil es uns einerseits vielleicht so manches Mal an unsere Grenzen führt, andererseits aber auch die Möglichkeit gibt, über uns selbst hinaus zu wachsen. Dabei kommt es nicht darauf an, schon von Anfang an zu genau wissen, wohin es geht oder darauf das Studium mit Bravour zu beenden, es geht – meiner Meinung nach - vielmehr darum, die eigenen Stärken kennenzulernen und sie dazu zu nutzen an den (noch) vorhandenen Schwächen zu arbeiten. So können Entscheidungen bewusst gefällt werden und wir können zu dem Weg stehen, für den wir uns entscheiden – unabhängig davon, wie mögliche Studienwechsel oder -abbrüche vielleicht später einmal im Lebenslauf aussehen.

Eine kleine Anmerkung am Rande: An der Ostfalia gibt es viele nützliche Angebote, die Studierende dabei unterstützen können, ihren ganz persönlichen Weg zu gehen. Beispielsweise können Studierende im Lerncoaching oder in den Workshops des Career Service ihre persönliche Kompetenzen erweitern, die nicht nur in Studium und Beruf hilfreich sein können, sondern auch dazu führen, sich selbst besser kennen- und einschätzen zu lernen. Das Schöne ist: Sie entscheiden „ was“ und „ wieviel“ Sie davon wollen! Von „ nichts“ und “ nie“ bis „ alles“ und „ immer wieder“, ist alles möglich! Meine KollegInnen und ich freuen uns auf Sie!


Meyer

Herkunft ist nicht entscheidend - sondern dass man für seinen Beruf brennt

 

Dagmar Meyer

Professorin für Regelungstechnik an der Fakultät Elektrotechnik 

Interview

Meine Eltern haben sich als Angestellte bei der Stadtverwaltung in Hannover kennengelernt. Noch vor meiner Einschulung sind wir dann nach Wolfsburg gezogen, wo ich aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. Während mein Vater nun in der Wolfsburger Stadtverwaltung arbeitete, war meine Mutter nicht mehr berufstätig.

 

Schon als Kind konnte ich mich für Technik begeistern. Ich half meinem Vater beim Autowaschen, schraubte an meinem Fahrrad herum, spielte viel mit Lego und baute meine eigene Eisenbahn und Fahrzeuge mit Motor. Ich fand das immer spannender als mit Puppen zu spielen. Viele meiner Freunde waren Jungen, mit denen habe ich auch Fußball gespielt.

Bis zur zehnten Klasse war ich auf einem allgemeinbildenden Gymnasium und entdeckte, dass Physik und Mathematik mir großen Spaß machen. Leider fielen gerade diese Fächer aufgrund Lehrermangels oft aus. Ein Lehrer gab mir dann den Tipp, dass es in Wolfsburg ein Fachgymnasium Technik gibt. Ich wechselte dorthin und wählte Elektrotechnik und Physik als Leistungsfächer.

Mit dem allgemeinbildenden Abitur von diesem Fachgymnasium in der Tasche hätte ich alles studieren können. Es war die beste Entscheidung meines Lebens, dort meine Oberstufenzeit zu absolvieren. Es hat mir einfach unheimlichen Spaß gemacht in die Elektrotechnik hineinzuschnuppern.

In der Schule habe ich neben Technik und Physik auch Sprachen sehr geliebt. Französisch ist meine Lieblingssprache. Ich konnte mir deshalb auch vorstellen, beruflich etwas mit Sprachen zu machen, aber die Technik hat letztlich das Rennen gemacht. Am technischen Gymnasium hatte ich nur eine einzige Mitschülerin, alle anderen waren Jungen. Auch die Lehrer waren männlich, nur im Fach Französisch war das anders. Für mich war das aber ganz normal. ich habe mich selbst nie als exotisch oder anders empfunden.

Meine Eltern gingen zunächst davon aus, ich würde eine Ausbildung machen. Ich hatte aber extrem gute Noten in der Schule und das Abi mit 1,0 geschafft. Durch den Zuspruch vieler Lehrer kam ich so auf die Idee zu studieren. Meine Eltern waren skeptisch. Sie wussten gar nicht, wie so ein Studium funktioniert und waren unsicher, ob ich überhaupt einen Studienplatz bekäme und dann auch erfolgreich sein würde. In unserer Familie gab es einfach keine Erfahrungen damit. Letztendlich überzeugte ich meine Eltern aber, dass ein Studium der beste Weg für mich sei.

Internet gab es damals noch nicht. Für die Studienwahl ging man in die Stadtbibliothek und holte sich dicke Studienführer aus dem Regal. Darin schaute ich mir erst einmal vieles an, aber schon früh faszinierte mich das Thema Regelungstechnik.

Wegen meines hervorragenden Abiturs schlug mich meine Schule für die Studienstiftung des deutschen Volkes vor, in die ich dann auch aufgenommen wurde. Als ich zum Auswahlwochenende in eine Jugendherberge eingeladen wurde, war das eine große Ehre für mich. Meiner Mutter dagegen kam es unseriös und komisch vor, dass wir dafür 50 Euro selbst bezahlen mussten. Meine Eltern kannten keine Begabtenförderungswerke und deren Bewerbungsverfahren, daher die Skepsis. So startete ich schließlich mein Studium der Elektrotechnik an der Uni Braunschweig. Voraussetzung dafür war ein Vorpraktikum zwischen Abitur und Studienbeginn. Also bewarb ich mich bei Siemens, wurde sofort genommen und in den Siemens-Studentenkreis aufgenommen. Seit dieser Zeit besteht mein Kontakt zu Siemens.

BAföG gab es für mich nicht, weil meine Eltern knapp über der Einkommensgrenze lagen. Meine Eltern bezahlten mir die Wohnung und unterstützten mich zusätzlich finanziell. Schon im Grundstudium fing ich außerdem an, als wissenschaftliche Hilfskraft in Laborveranstaltungen zu arbeiten und Studenten zu betreuen. Ich hatte in Braunschweig eine kleine Wohnung und konnte selbst entscheiden, wann ich nach Hause komme und wie lange ich abends noch lerne. Dadurch hatte ich sehr viel Kontakt zu Kommilitonen. Wir lernten viel zusammen und unternahmen eine Menge.

Im Rahmen eines Erasmusprogramms bot das Institut für Regelungstechnik einen Austausch mit Grenoble an. Die dortige Hochschule war sehr renommiert im Bereich Regelungs- und Automatisierungstechnik. Auch wegen meiner Liebe zur französischen Sprache war das Angebot reizvoll. Also ging ich für ein Auslandsjahr nach Grenoble und absolvierte dort fast alle Leistungen meines Hauptstudiums. Das war eine tolle Zeit.

Zurück in Braunschweig schrieb ich meine Diplomarbeit. Aber wie sollte es weitergehen? Für mich stand fest, dass ich gerne promovieren wollte. So konnte ich ganz nah an der Technik forschen und hatte damals auch schon im Hinterkopf, später einmal an der Hochschule zu arbeiten.

Nun hätte ich ein Angebot aus Grenoble annehmen können, dort zu promovieren. Ich hatte sogar schon ein EU-Stipendium dafür. Nur war ich damals nicht sicher, wie ausländische Promotionen im Hinblick auf eine Hochschulprofessur in Deutschland anerkannt werden. Dann bot sich die Chance, in Braunschweig ein Ernst-von-Siemens-Promotionsstipendium zu bekommen. So wurde ich die erste Frau in 25 Jahren (so lange bestand das Institut für Regelungstechnik damals), die an diesem Institut promovierte. Anschließend bewarb ich mich als Gruppenleiterin bei Philips in Kassel. Die Stellenausschreibung klang verlockend und auch von der technischen Seite betrachtet reizvoll. Doch schon in der Probezeit zeigte sich, dass die Stelle nicht der Ausschreibung entsprach und dass eine Ausgliederung des Unternehmensbereichs mit ungewissem Ausgang bevorstand. Ich nutzte meine guten Kontakte zu Siemens, fand eine Stelle im Bereich Antriebs- und Automatisierungstechnik und verließ Philips noch in der Probezeit. Im Nachhinein die beste Entscheidung, denn kurze Zeit später wurde dort viel Personal abgebaut.

Es folgten fünf Jahre bei Siemens in der Produktsoftwareentwicklung für regelungstechnische Anwendungen in der Antriebstechnik. Ich hatte einen sehr guten Entwicklungsleiter, der mir viele Impulse im Bereich der Softwareentwicklung gab. Irgendwann meldete sich ein Professor der Ostfalia und wies mich auf die Ausschreibung einer Professur in der Fakultät Informatik im Bereich Systemtechnik und Physik hin. Ich war erst 32, dachte mir aber, bewerben kann ich mich ja einmal. Ich wurde zur Probelehrveranstaltung und zum Gespräch eingeladen, bereitete mich gründlich darauf vor und siehe da – ich erhielt den Ruf.

Siemens zu verlassen fiel mir dennoch schwer. Die Firma hatte mich seit dem Vorpraktikum begleitet und ist ein großer Konzern, der viele Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich die nächsten 30 Jahre im öffentlichen Dienst arbeiten wollte. Finanziell ist es natürlich ebenfalls ein Unterschied. Und ich bin mit Leib und Seele Ingenieurin. Ich liebe es, etwas zu entwickeln. Etwas, das funktioniert, bei dem ich merke, wir haben im Team erfolgreich etwas auf die Beine gestellt. Ich tat mich schwer damit, das alles aufzugeben.

Entscheidend für meinen Wechsel an die Hochschule war schließlich der Wunsch, wieder in der Heimat zu leben und als Einzelkind näher bei meinen Eltern zu sein, mit deren Gesundheit es nicht zum Besten stand. . So kam ich nach reiflicher Überlegung 1999 an die Ostfalia. Als ich anfing, wurde die Stelle für Systemtechnik im Grunde noch gar nicht gebraucht. So hielt ich anfangs ausschließlich Vorlesungen in Mathematik und Physik. Als der für die Regelungstechnik in der Fakultät Elektrotechnik zuständige Kollege in den Ruhestand ging, nahm ich Kontakt zum Dekan auf und ließ mich versetzen. So kam ich hier in die Elektrotechnik und das war ein Volltreffer.Somit bin ich inzwischen seit über 15 Jahren an der Ostfalia und fühle mich sehr wohl in meiner Fakultät

Die Tätigkeit an der Hochschule macht mir Spaß. Besonders das selbstbestimmte Arbeiten finde ich reizvoll. Und mir gefällt die Arbeit mit jungen Leuten. Leider nehmen die administrativen Tätigkeiten im Laufe der Zeit immer mehr Raum ein. Die Zeit für Lehre und praxisbezogene Wissensvermittlung nimmt ab. Als ich hier anfing, gab es noch keine Akkreditierungsverfahren und Modulhandbücher. Da konnte man die Lehre noch sehr frei gestalten, sich auf die Studierenden einstellen und Aktuelles mehr berücksichtigen. Das ist heute alles deutlich schwerer und reglementierter.

Die Studierendenschaft an der Fachhochschule ist unglaublich heterogen: Es gibt Leute mit sehr gutem Abitur, dual Studierende und Studierende ohne Hochschulzugangsberechtigung. Man kann nicht alle diese Menschen in denselben Topf werfen. Als Dozent ist es nahezu unmöglich, eine Lehre anbieten, die für alle Studierenden gleich gut ist. Die einen sind schon weiter und möchten noch mehr lernen, andere müssen erst einmal den Anschluss finden.

Junge Menschen, die nicht mit klassischer Hochschulberechtigung studieren, bräuchten im Grunde spezielle Einstiegsstudiengänge, wofür zusätzliches Personal nötig wäre. Für Studierende, die Schwierigkeiten haben, ist es unbefriedigend, sich jahrelang durch ihr Studium zu quälen. Unterstützungsangebote der Ostfalia wie z. B. das Lerncoaching können da helfen.

In meiner Schulzeit gab es Werken für die Jungen und Handarbeiten für die Mädchen. Ich wollte aber lieber werken und durfte das dann zum Glück auch. Heute kann man selbst wählen. Ich denke, es sollte etwas Normales sein, wenn Jungen mit Puppen spielen und Mädchen mit Autos. Diese Selbstverständlichkeit fehlt uns noch ein Stück weit.

Jede/r sollte für sich herausfinden, was er/sie mag und sollte das tun, wofür er/sie brennt. Es ist aus meiner Sicht Unsinn, irgendetwas anzufangen, weil die beste Freundin das macht, weil es gerade in ist oder weil man vermeintlich gute berufliche Aussichten hat. Man sollte wirklich in sich hineinhorchen. Und wenn man etwas klasse findet, sollte man das auch unbedingt verfolgen.


Lendt

Herkunft ist nicht entscheidend - sondern Offenheit!

 

Benno Lendt

Professor für Energie- und Gastechnik in der Fakultät Versorgungstechnik 

Interview

Dass ich einmal Dekan, Studiendekan und Professor werden würde, hätte ich nicht unbedingt geahnt, es war auch nicht mein vorrangiges Ziel, als ich aufgrund sog. Kurzschuljahre relativ früh den Weg aufs Gymnasium einschlug.

Aufgewachsen bin ich in Neumünster in Schleswig-Holstein als älterer Bruder neben zwei Schwestern. Mein Vater hatte Tischler gelernt, meine Mutter Weberin, wobei sie nach meiner Geburt zu Hause blieb und als Hausfrau arbeitete. Ich war also ziemlich auf mich alleine gestellt auf dieser neuen Schule, denn meine Eltern konnten mir bei den Fächern, die dort gelehrt wurden, nicht mehr helfen und so musste ich mich allein durchbeißen. Mein Lieblingsfach war Chemie, und nachdem ich meinen ersten Berufswunsch, Lehrer, an den Nagel gehängt hatte, war das Studium zur damaligen Zeit nach dem Abitur die logische Konsequenz. Meine Eltern befürworteten das und unterstützten mich.

Ich entschied mich für Maschinenbau mit Schwerpunkt Verfahrens- und Energietechnik und bekam über die ZVS – damals war Maschinenbau zulassungsbeschränkt – einen Studienplatz in Braunschweig, meinem Präferenzort. Wichtig war mir, mich nicht von vornherein auf bestimmte Branchen festlegen zu müssen, ich wollte Entscheidungsspielraum und viele verschiedene Möglichkeiten haben. Maschinenbau ermöglichte mir diese Wahlfreiheit. Noch im Grundstudium entschied ich mich für den Schwerpunkt Energietechnik.

Mir gefiel die andere Art des Lernens und der Wissensvermittlung im Studium, die sich deutlich von der an der Schule unterschied. Ich mochte es als junger Mensch nicht, wenn ich abrufbereit etwas wissen musste. Ich habe die Situation gehasst, im Klassenverband jederzeit aufgerufen werden zu können, egal wo ich mit meinen Gedanken gerade war. An der Uni wusste ich, dass ich während der Vorlesung nicht angesprochen wurde. Der Termin, an dem die Leistung abgerufen wurde, war klar. Schon recht schnell merkte ich, dass ich in Gruppen leichter lernte und so bildeten wir von Anfang an Arbeitsgruppen. Eine gute Erfahrung war auch, dass tatsächlich Übung den Meister macht: Der Stoff war weniger ein intellektuelles Problem, die Frage war vielmehr, in welchem Zeitraum die gestellten Prüfungsaufgaben zu lösen waren. Im Umfeld der Universität fühlte ich mich sehr wohl und genoss die Atmosphäre – eine eigene Wohnung, das Studentenleben und das enge Zusammenarbeiten mit den anderen Kommilitonen.

Mein Plan, nach 11 Semestern fertig zu werden, ging nicht auf, denn ich heiratete noch während des Studiums meine erste Frau und unsere Tochter kam zur Welt. So beendete ich schließlich zwei Semester später als geplant Anfang 1983 mein Studium. Eigentlich hätte ich dann gerne eine Stelle angetreten, doch da ich mit meiner Familie in der Region bleiben wollte, bewarb ich mich auf eine Promotionsstelle im Bereich der Verbrennungstechnik an der TU Braunschweig – und kam so eher unbeabsichtigt zu meinem Doktortitel. Danach arbeitete ich als Projektingenieur und später als Gruppenleiter bei einem Energieversorger in Oldenburg. Doch nach fünf Jahren wollte ich mich weiterentwickeln und stieß durch Zufall auf die Ausschreibung einer Professur für „Gas- und Wärmetechnik“ an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel – der Ruf als Professor folgte im Wintersemester 1996/97. In meiner viereinhalbjährigen Tätigkeit als Studiendekan habe ich ab 2001 den Wechsel unserer Studiengänge von Diplom- auf Bachelor- und Masterabschlüsse koordiniert und auf den Weg gebracht.

Mit dem Bachelorgrad unserer Fakultät erwirbt man auf jeden Fall einen ersten berufsqualifizierenden Ingenieurabschluss und kann mit ihm in den Beruf einsteigen. Direkt im Anschluss oder später lässt sich – vielleicht auch berufsbegleitend – ein Masterstudium draufsetzen oder sogar eine Promotion.

Ein Studium lohnt sich meiner Meinung nach auch, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Meine beiden Schwestern haben studiert, ebenso meine Tochter. Als älterer Bruder und Vater war ich hier ein positives Vorbild – und bin es auch gerne für meine Studierenden!


Wall

 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern persönliche Ziele!

 

  

 

Lars Wall

Student Maschinenbau

Interview

Dass mich mein Weg einmal in ein Studium führen würde, habe ich erst herausgefunden, als ich schon einige berufliche Stationen hinter mich gebracht hatte. Ich habe nach der Realschule noch die Höhere Handelsschule abgeschlossen und nach einem Umweg als Azubi der Physiotherapie eine Lehre als Feinmechaniker in der Luft- und Raumfahrttechnik gemacht. Ich war aber noch nicht mit den Möglichkeiten der Verantwortung, der Entscheidungskompetenz und des Verdienstes zufrieden, die mir als Facharbeiter offengestanden hätten. Nächstes Ziel deshalb: Meisterschule. Doch selbst mit dem Meisterbrief in der Tasche wusste ich, dass ich noch immer nicht dort angelangt war, wo ich hinwollte – und begann zum Wintersemester 2013/2014 ein Studium des Maschinenbaus an der Ostfalia in Wolfenbüttel.

Dieser Schritt an die Hochschule war nicht selbstverständlich für mich. Ich komme nicht aus einem Akademiker-Haushalt: Meine Eltern führen einen Gas-Wasser-Installationsbetrieb. Mein Vater ist Heizungs- und Lüftungsbaumeister, meine Mutter gelernte Bankkauffrau. Aber mir war klar: Ohne Studium hätten mich die Möglichkeiten in meinem Beruf nicht zufrieden gemacht. Ein Hochschulabschluss ist in meinen Augen eine Eintrittskarte in einen Job mit Führungsaufgaben, der mich ausfüllen und fordern wird.

Natürlich bringt mein Studium Herausforderungen mit sich. Die Masse des Lernstoffs ist nicht ohne, und ich muss trotz des Arbeitspensums meine Motivation aufrechterhalten. Ich mache mir allerdings keinen Druck mit der Regelstudienzeit, es ist okay für mich, wenn ich zwei oder drei Semester länger brauche als vorgesehen.

Und klar, mir geschehen auch mal Misserfolge – schlechte Noten, obwohl ich viel gelernt habe. Es gibt keine Ruhephasen, in denen ich eine ruhige Kugel schieben könnte, dafür ist das Grundstudium zu anspruchsvoll. Gar kein Vergleich zu meiner Ausbildung oder der Weiterbildung zum Meister, denn im Studium sind die Anforderungen viel höher. Aber genau das habe ich ja gewollt – mehr Herausforderungen, als ich bisher hatte!

Und die Ostfalia lässt mich dabei nicht allein. Ich hätte zum Beispiel jederzeit die Möglichkeit, zu einem Lerncoach zu gehen. Die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter sind bei Fragen unheimlich hilfsbereit und freundlich. Mit so viel Unterstützung hätte ich vor dem Studium gar nicht gerechnet, ich bin sehr positiv überrascht.

Dann habe ich in meinen ersten Semestern gelernt, wie wichtig der Zusammenhalt mit anderen Kommilitonen und innerhalb von Lerngruppen ist. Das familiäre Umfeld an der Ostfalia erleichtert einen Austausch untereinander glücklicherweise sehr – man kennt einander, das gilt für die Studierenden und für die Lehrenden.

Der Job als studentische Hilfskraft, den ich neben dem Studium noch mache, war gezielt an Studierende aus Nicht-Akademiker-Familien gerichtet. Die Hochschule ist sehr aufgeschlossen gegenüber den verschiedenen Gruppen, aus denen sich die Studierendenschaft zusammensetzt. Ich bin in meinem Job unter anderem dafür zuständig, als studentischer Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung zu stehen, falls jemand sich nicht traut, sich direkt an die Studienberatung zu wenden. Ich finde toll, dass die Ostfalia so viele Anstrengungen zeigt, um Studierenden alle mögliche Hemmungen zu nehmen! Ich studiere selbst ohne akademischen Hintergrund in der Familie, und genau dazu ermuntere ich heute gerne auch andere, die mehr aus ihren Möglichkeiten machen möchten!


KirchhoffHerkunft ist nicht entscheidend – sondern der Glaube an die eigenen Vorstellungen!

 

 

Guido Kirchhoff

Professor für Recht im Studiengang Soziale Arbeit in Suderburg

Interview

Meine Mutter ist Bürokauffrau, mein Vater war gelernter Schweißer, der als Heizungsmonteur und Schlosser gearbeitet hat. Meine Schwester ist Zahnarzthelferin und mein Bruder, 20 Jahre jünger als ich, inzwischen Informatiker.

Nachdem ich 1989 in Nordrhein-Westfalen mein Abitur abgelegt hatte, wusste ich zunächst nicht, wie es weitergehen sollte. Ein Studium kam eigentlich nicht infrage. Da niemand in meinem Umfeld studiert hatte, fehlte es mir an Vorbildern. So habe ich mich zunächst auf alle möglichen Ausbildungsplätze beworben, die für Abiturienten in Betracht kommen: Bei Banken und Versicherungen, in der Industrie und der Verwaltung. Am attraktivsten erschien mir eine Ausbildung bei der örtlichen Gemeindeverwaltung, denn diese war mit einem Fachhochschulstudium verbunden. Meine Eltern hielten das für eine ganz normale Ausbildung. Ich war schließlich bei der Gemeindeverwaltung angestellt, verdiente Geld und ging zur „Schule“.

Meine Heimatstadt hat 12.000 Einwohner. Deshalb gab es auch in der Verwaltung nur 40 Mitarbeiter. Ausgebildet wurde nach eigenem Bedarf. So war nach meiner Ausbildung absehbar, dass ich Beamter auf Lebenszeit geworden wäre, finanziell in Ordnung und mit gesicherter Laufbahn.

Während meiner Ausbildung habe ich aber mein Interesse an juristischen Fragen entdeckt. So beschloss ich Jura zu studieren, um später in den höheren Dienst der öffentlichen Verwaltung zu kommen.

Aufgrund der Nähe zu meinem Heimatort wäre ein Studium in Münster eine logische Wahl gewesen. Ich wollte aber nicht dorthin, wo viele andere aus meiner Schule schon studierten. Ich wollte lieber etwas Eigenes. Die Selbstdarstellung der Uni Osnabrück hat mich schließlich überzeugt. Ich habe gedacht, es ist nicht so eine Massen-Uni, da gehst du nicht unter. Andererseits ist Osnabrück ist auch nicht zu klein und unbekannt. Ich habe gern dort studiert.

Ein Jurastudium hatte zu jener Zeit keinen guten Ruf. Das Klischee lautete, dass die meisten Studierenden in der Arbeitslosigkeit enden würden. Nur die Hälfte käme bis zum Examen und kaum einer würde es bis zum Richter oder Verwaltungsbeamten schaffen. Und als selbstständiger Anwalt bekäme man keine Klienten, weil es schon zu viele Rechtsanwälte gibt. Von diesen – nicht ganz unzutreffenden – Vorurteilen hatten auch meine Eltern gehört. Sie waren daher nicht besonders begeistert, als ich meinen Beamtenjob an den Nagel hängte, um noch Jura zu studieren. Ich wollte das aber einfach machen. Es hatte doch bislang alles geklappt. Wenn Abi und FH-Studium gut gelaufen waren, warum nicht auch das Studium an der Uni? Zuerst wollte ich mich von der Gemeindeverwaltung für das Studium freistellen lassen, denn das hätte mir mit der Rückkehrmöglichkeit einen „Plan B“ als Sicherheit gegeben. Die hat sich jedoch nicht darauf eingelassen, weil es keinen Bedarf an Juristen in der Verwaltung gab. Also: Kündigung eines sicheren Jobs. No risk, no fun!

BAföG gab es für mich nicht, denn mein Fachhochschulstudium galt als Erststudium. Meinen Lebensunterhalt haben zur Hälfte meine Eltern finanziert, die andere Hälfte kam aus Ersparnissen und später aus dem Einkommen als studentische Hilfskraft an der Universität.

Zum Glück habe ich mich schon im ersten Semester mit Leuten angefreundet, die ähnlich tickten wie ich. Wir haben uns von Anfang an jede Woche einen Nachmittag getroffen und zusammen gelernt. Wegen des Verwaltungsstudiums fiel mir der Start etwas leichter. Dann kamen aber die gleichen Hochs und Tiefs wie bei jedem anderen. Durch die Ausbildung wusste ich schon, dass Lernen zeitaufwändig und anstrengend ist und auch schlechte Erfahrungen bei Prüfungen dazugehören. Wenn irgendwas nicht gut lief, habe ich nie an meiner Eignung für das Studium gezweifelt. Andere hatten genau die gleichen Probleme, auch wenn deren Eltern schon studiert hatten.

Meine Eltern konnten sich nicht vorstellen, wie so ein Studium abläuft. Da ich den sicheren Beamtenjob aufgegeben hatte, musste ich mir und ihnen beweisen, dass die Entscheidung richtig war. Es war schließlich offen, ob ich eine adäquate Arbeitsstelle bekommen würde oder am Ende schlechter dastünde als vorher. Drei Monate vorlesungsfreie Zeit machten auf meine Eltern den Eindruck, ich hätte Urlaub. Meine Lerngruppe und ich haben uns überdurchschnittlich angestrengt, weil wir alle in der Regelstudienzeit von vier Jahren und mit guten Noten fertig werden wollten. Wir saßen oft bis 22 Uhr zusammen in der Bibliothek. Für meine Eltern ging Arbeitszeit aber von 8 bis 16 Uhr. Sie meinten, wenn einer erst um 12 anfängt, dann ist der faul. Und wenn ich sagte, dass ich bis 22 Uhr gearbeitet habe, glaubten sie das nicht. Da fühlt man sich ungerecht behandelt. Aber ich konnte meine Eltern auch verstehen. Als Außenstehende wussten sie nicht, was ein Studium bedeutet.

Nach dem Staatsexamen wollte ich mein Referendariat in Berlin machen. Dort gab es aber eine Wartezeit von zwei Jahren für Referendare von außerhalb. Das war mir zu lang und ich suchte mir einen Referendariats-Platz in Osnabrück. Durch Zufall bekam ich ein Angebot, an der Freien Universität in Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten. Bis dahin hatte ich nie ins Auge gefasst, zu promovieren. Ich wollte endlich als Jurist arbeiten. Aber als mir das so auf dem Silbertablett serviert wurde, dachte ich, diese Gelegenheit muss ich nutzen. So konnte ich doch nach Berlin, promovieren, Geld verdienen und die Wartezeit für das Referendariat sinnvoll überbrücken.

In Berlin lernte ich meine spätere Frau kennen. Sie hatte exakt den gleichen beruflichen Werdegang (Verwaltungsstudium und dann Jurastudium) eingeschlagen. Während unserer Referendariate und meiner Doktorarbeit haben wir unser erstes Kind bekommen. Die Familiengründung, zwei Vollzeitjobs und meine Doktorarbeit unter einen Hut zu bringen, war sehr herausfordernd.

Nach dem Referendariat bekam ich meinen ersten „richtigen“ Arbeitsplatz bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Mein Job war sehr spannend und ich habe viel gelernt. Die vielen Dienstreisen machten es aber schwierig, gleichzeitig kleine Kinder zu betreuen. Da kam mir die Ausschreibung für eine Professur an der Fachhochschule der Polizei in Brandenburg sehr gelegen. Ich habe die Stelle bekommen und dort rund fünf Jahre als Professor gearbeitet, bis ich vor – inzwischen mehr als fünf Jahren – nach Suderburg gewechselt bin. An Hochschulen gefallen mir die Abwechslung zwischen den Lehrveranstaltungen und der Forschung sowie die relativ freie Zeiteinteilung sehr gut.

Ich forsche, schreibe und veröffentliche gerne und schätze es, meinen Arbeitstag (zumindest an den vorlesungsfreien Tagen) selbst zu gestalten. Das kann man als Jurist sonst nicht. Da muss man oft von acht bis 20 Uhr erledigen, was an Arbeit anfällt. Die Arbeit mit Studenten macht Spaß, weil ich da eine ganze Menge mitnehme. Gerade bei Sozialer Arbeit sind Theorie und Praxis sehr eng verknüpft. Die Rückmeldungen von Studierenden helfen mir auch bei Veröffentlichungen, weil ich meistens über neue praxisrelevante juristische Fragestellungen schreibe: Studierende bringen hier – anders als Studierende an Universitäten – viele Anregungen aus ihren Praxisphasen mit. Und da ich selbst aus der Verwaltung komme, weiß ich, wie dort gearbeitet wird. Das fließt auch in meine Forschung und Lehre ein.

An der Polizeifachhochschule tragen die Studenten Uniform, hier in Suderburg ist es deutlich bunter. Viele denken, Soziale Arbeit sei ein leichtes Studium. Der Lernaufwand ist sicher nicht so hoch wie für ein Medizin- oder Jurastudium, aber trotzdem muss man was tun. Studieren ist Lernen, ohne Lernen geht es nicht. Wer parallel zu den Lehrveranstaltungen und nicht erst kurz vor den Klausuren lernt, wird überhaupt kein Problem haben – egal in welchem Fach.

Es ist schwer herauszufinden, ob jemanden eine schwache Phase hat und deswegen durch eine Klausur gefallen ist, oder ob jemand größere Probleme hat, weil es vielleicht das falsche Fach ist. Manche studieren vielleicht nicht das, was sie am meisten interessiert. Die brennen dann nicht für ihr Studium, sondern machen das wie in der Schule. Es darf nicht sein, dass man sich vor Kommilitonen rechtfertigen muss, wenn man lernen will. Das gehört zum Studium dazu, das ist essenziell. Dass man mit vielen Leuten was unternehmen kann, ist der angenehme Nebeneffekt. Man kann viele Partys feiern, solange man am nächsten Tag wieder fit ist. Meine Kommilitonen und ich wollten es uns damals leicht machen: Ein Arbeitstag hat acht Stunden, also arbeiten wir jeden Tag für das Studium ebenfalls acht Stunden. Wenn man aber die Kaffee- und Vorlesungspausen, Telefongespräche (Internet gab es damals noch nicht) und andere privaten Dinge abzieht, muss man verdammt lange wach bleiben, um effektiv auf acht Stunden zu kommen… Wir haben unseren Arbeitsplan daher meistens nicht eingehalten, sind so aber meistens zumindest auf sieben Arbeitsstunden gekommen.

Wer im Abi zum besseren Drittel oder zumindest zur besseren Hälfte gehört hat, der wird sein Studium mit normalem Aufwand schaffen. Ist man irgendwo nicht so talentiert, muss man das mit Mehrarbeit ausgleichen. Das habe ich im Studium auch getan. Im juristischen Staatsexamen schreibt man über zwei bis drei Wochen an jedem zweiten Tag fünfstündige Klausuren. Meine Kommilitonen und ich standen stark unter Druck. Das lange Lernen war eine harte Zeit. Ich war froh, als das Examen endlich anfing. Was ich gelernt hatte, wollte ich endlich unter Beweis stellen.

Ein Studium ist zu schaffen! Und alle anderen kochen auch nur mit Wasser. Studierende der ersten Generation sind zum Teil engagierter und haben teilweise bessere Ergebnisse. Das liegt daran, dass sie sich denken, dass einem im Studium nichts zufliegt und man hart dafür arbeiten muss.

Mein jüngerer Bruder hat in Dortmund studiert (Bachelor und Master) und schreibt nun an seiner Doktorarbeit. Dass er studieren würde, war für meine Eltern eine Selbstverständlichkeit. Denn ich hatte ihnen ja bewiesen, dass das mit dem Studium in unserer Familie hervorragend klappen kann.


GänsickeHerkunft ist nicht entscheidend – sondern Visionen

 

 

Prof. Dr.-Ing. Thomas Gänsicke

Leiter des Instituts für Fahrzeugbau Wolfsburg, Fakultät Fahrzeugtechnik

Interview

Meine „Technik-Verliebtheit“ wurde mir in die Wiege gelegt, beide Großväter waren Schmiedemeister in der Nähe der Lutherstadt Wittenberg. Auch mein Vater hatte ursprünglich Landmaschinentechniker gelernt, sich dann aber mit einem Brotbetrieb selbstständig gemacht. Es lag also relativ nahe, dass ich beruflich in Richtung Technik tendieren würde.

Meine Eltern sind kurz vor dem Mauerbau aus der DDR geflohen und mussten sich ein ganz neues Leben aufbauen. Diese Familiengeschichte hat die Einstellung geprägt, dass man für seine Ziele und Visionen kämpfen muss. Meine Mutter ist gelernte Schneiderin und hat auch während der Kindererziehungszeit mit selbständigem Nähen ihr eigenes Einkommen verdient. Ich habe zwei Brüder und eine Schwester. Mein älterer Bruder ist Textilkaufmann geworden. Mein jüngerer Bruder hat sich zunächst für die außergewöhnliche Kombination von Informatik und Philosophie interessiert und ist heute selbstständig auf dem Gebiet Programmieren und Hardwareverkauf. Meine Schwester ist Krankenschwester geworden.

Ich bin in Gütersloh geboren und habe zunächst eine Realschule besucht und mich dort mehr schlecht als recht durchgeschlagen. Allerdings stellte ich zu dieser Zeit schon etwas für mich sehr Wichtiges fest: Ich war anscheinend in der Lage, anderen ganz gut etwas beizubringen und so gab ich schon als Schüler Nachhilfeunterricht.

Gegen Ende der Schulzeit besorgte ich mir in Eigeninitiative zwei Praktika: Drei Wochen lang erlebte ich zunächst in einem großen Unternehmen für Mähdrescher-Motoren einen Durchlauf vom Zerlegen der Motoren bis zum erneuten Zusammenbau. Doch besser noch gefiel es mir in einer kleinen Zylinderschleiferei. Dort gab es keine Arbeitsteilung, sondern es wurde in Teams (meist ein Geselle und ein Lehrling) gearbeitet: Motor zerlegen, vermessen, Teile bestellen und anschließend wieder montieren. Und so überraschte ich meine ahnungslosen Eltern mit einem Vertrag über eine Lehre als Kfz-Mechaniker mit Fachrichtung Motorinstandsetzung in ebendiesem Betrieb. Ihre Erziehung zu eigenverantwortlichem Handeln hatte Früchte getragen.

In der Berufsschule stellte ich fest, dass Lernen richtig Spaß machen kann, wenn man sich für das Gebiet wirklich interessiert. Auch in dieser Zeit verdiente ich zusätzliches Geld mit Nachhilfe. So bereitete ich einen Berufsschüler, der im dritten Lehrjahr war, auf die Wiederholung der schriftlichen Abschlussprüfungen vor, während ich im ersten Lehrjahr war. In der Lehre wurde mir bewusst, dass ich weiterlernen möchte und ich besuchte anschließend die Fachoberschule. Im Gegensatz zur Realschule hatte ich dort mit den Fächern Deutsch und Englisch überhaupt keine Probleme und machte einen sehr guten Abschluss.

Mein anschließender Studienwunsch ging in Richtung Konstruktionstechnik. Ich fand es sehr interessant, herauszufinden, welche Ursachen zu defekten Teilen führen, um dann auf Grundlage dieses Wissens die Konstruktion zu optimieren. Als Studienort wählte ich die Gesamthochschule in Paderborn. Als ich meinen Eltern von diesen Plänen erzählte, war ich ganz verblüfft, als mein Vater sagte, er erlaube mir das Studieren. Mir war vorher gar nicht in den Sinn gekommen, dass er es mir verbieten könnte. Aber man muss wissen, dass es zu damaliger Zeit selbstverständlich war, dass Kinder, die bei Ihren Eltern lebten und eigenes Geld verdienten, Kostgeld abgaben. Da ich studieren wollte, war dies nicht möglich.

Ich erhielt den vollen Bafög-Satz und war somit weitestgehend unabhängig von meinen Eltern. So lebte ich die ersten vier Semester zu Hause, brauchte kein Kostgeld abzugeben und kam mit dem Bafög aus. Als ich später mit meiner damaligen Freundin nach Paderborn zog, hat unser Bafög zwar gerade so zum Leben gereicht, aber Kino, Urlaub oder sonstige Extras konnten wir uns nicht leisten.

Zu Zeiten meines Studiums gab es viel weniger Studierende als heute. Die 68er Jahre waren gerade vorbei und es gab einige neue Bildungsformen wie die Gesamthochschule, Fachhochschule und Universität in einem. Aber es war keine Normalität, dass Handwerkerkinder studierten.

Nach 11 Semestern schloss ich mein Studium zum Diplomingenieur Maschinenbau, das eine Regelstudienzeit von 9 Semester hat, aber wofür Studierende im Durchschnitt 12 Semester benötigten, ab. Meine Studienphase empfinde ich heute im Rückblick als die anstrengendste Zeit in meinem Leben. Am Anfang war neben dem vielem Lernstoff noch die Angst vorm Scheitern. Nach einigen ganz gut bestanden Klausuren gewann ich immer mehr Sicherheit und dann machte mir das Hauptstudium sogar Spaß. Ich entwickelte meine These, den höchsten Bildungsabschluss anzustreben, den man erreichen kann.

Aber nach dem langen Studium wollte ich erst einmal Geld verdienen und arbeitete zwei Jahre in der Automobilindustrie bei Hella in Lippstadt. Dort durfte ich die elektronische Regelung der Heizung und Klimatisierung vom Porsche 911 mit entwickeln und meine Aufgabe war die Konstruktion der Stellantriebe. Dies machte mir Spaß, aber mir wurde bald klar, dass ich im Studium viel mehr Wissen erworben hatte, als ich für diese Aufgaben benötigte. So bewarb ich mich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gesamthochschule Kassel, wo mich der neuberufene Professor für Leichtbau als zweiten Mitarbeiter einstellte und ich übernahm und erfüllte die Aufgabe, ein Labor für Betriebsfestigkeit einzurichten.

Zwei Jahre später fragten mich Studierende, ob ich die Entwicklung eines Solar-Rennfahrzeuges betreuen würde. Zusammen mit einem Berufsschullehrer und dessen Schülern gründeten wir eine Arbeitsgruppe, untersuchten alle physikalischen Einflüsse und bauten ein futuristisch aussehendes Rennfahrzeug. Wir starteten in der zweiten Klasse und gewannen auf Anhieb die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt sollten nicht verloren gehen und ich entwickelte daraufhin mit Studierenden das alltagstaugliche Leichtbau-Elektrofahrzeug „Sunhopper". Nach dessen Fertigstellung erhielt es bei einer Wettfahrt von Kassel nach Berlin den Innovationspreis der Stiftung Warentest als energieeffizientestes Fahrzeug.

In dieser Zeit verdiente ich mein Geld durch die Beratung von Firmen, die konventionelle Fahrzeuge auf Elektroantrieb umbauten. Anschließend bekam ich einen Job bei der Firma „Hotzenblitz“ und bearbeitete Gesamtfahrzeugthemen bei der Entwicklung eines viersitzigen Elektrofahrzeugs. Nebenbei arbeitete ich an meiner Promotion, die ich von 1992 bis 1997 abends und am Wochenende verfasste. 1997 hatte ich schon an der Uni Kassel und an der Fachhochschule Bielefeld jeweils eine halbe Vertretungsprofessur. In Kassel hatte ich die spannende Aufgabe, Designstudenten alles Maschinenbautechnische beizubringen. In Bielefeld hatte ich Mathematik für Ingenieure gelehrt und Fahrzeugprojekte betreut.

Ich erhielt 1998 bei der Deutschen Post Consult das Angebot, eine Abteilung für die Entwicklung von E-Fahrzeugen zu leiten. Gleichzeitig wurde mir von Volkswagen die Leitung der Entwicklung des 1-Liter-Autos angeboten. Trotz geringerer Bezahlung entschied ich mich für die spannendere Aufgabe, für Volkswagen ein Fahrzeug an der Grenze des technisch Machbaren zu entwickeln. So kam ich 1998 in die Wolfsburger Region. Bei Volkswagen machte ich mir zunächst Gedanken über Aussehen und Rahmenbedingungen für die Konstruktion des Fahrzeuges. Meinen Entwurf mit physikalischen Berechnungen durfte ich irgendwann dem Vorstand vorstellen, der mir erlaubte, alle Maßnahmen einzusetzen, um das Ziel 1-Liter-Verbrauch zu erreichen. Ich bekam nach und nach Mitarbeiter zugeteilt und es wurde eines der wichtigsten Projekte der Forschung. Das war eine spannende Zeit. Ich bekam die Chance, zu zeigen, was machbar ist, wenn alle technischen Lösungen einer konventionellen Entwicklung in Frage gestellt werden. Dafür bin ich Volkswagen noch heute sehr dankbar.

Da mich die Wissensvermittlung an Studierende immer interessierte, habe ich nebenberuflich Studierende der HBK in Braunschweig bei Fahrzeugprojekten betreut. 2007 bekam ich an der HBK eine Honorarprofessur. Als ich von der Ausschreibung der Professur für Fahrzeugkonzepte an der Ostfalia erfuhr, bewarb ich mich und durfte die Stelle im Januar 2011 antreten.

Für mich steht ganz klar meine Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit im Vordergrund, und so fiel es mir nicht schwer, den zwar lukrativeren, aber fremdgesteuerten Job in der Industrie aufzugeben, um als Professor selbst entscheiden zu können, an welchen Themen ich forsche und mein Wissen und meine Erfahrung an junge Menschen weiterzugeben.

Ich brauche eine Vision, die mir die Richtung weist, selbst wenn ich weiß, dass ich möglicherweise nie ankommen werde. Meine Vision ist ein Auto, das keine negative Auswirkung auf Mensch und Natur hat. 2050 sollen alle Sektoren in Europa nur noch maximal 5% CO 2 ausstoßen und heute ist nicht klar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Den Weg für die Fahrzeugentwicklung zu beschreiben ist im Moment meine wichtigste Forschungsaufgabe. Seit 2012 bin ich auch Institutsleiter. Mein Ziel ist es, das Institut für Fahrzeugbau Wolfsburg für zukünftige Aufgaben zu rüsten und die Kompetenzen zu fördern, die für zukünftige Fahrzeugentwicklungen notwendig sind.

Ein Erfolgsfaktor im Studium ist mit Sicherheit die Lerngruppe. Durch meine Erfahrung besonders mit den Nachhilfeschülern weiß ich, wie sehr es einem selbst hilft, etwas zu verstehen, wenn man es erklären muss. Und so haben wir in meiner Studienzeit unsere Lerngruppe konzipiert: Jeder schaute sich den Stoff zunächst alleine an und dann stellten wir uns gegenseitig Fragen. Erst dabei wird aufgedeckt, wo die Wissenslücken sind.

In der Schule und im Studium wird Wissen vermittelt. Später im Berufsleben kommen erforderliche Kompetenzen und Wissenstransfer hinzu. Dass lebenslanges Lernen heute im Berufsleben erforderlich ist, weiß jeder. Dazu gehören nicht nur Weiterqualifikationen, sondern auch die innere Einstellung, nie aufzuhören, Fragen zu stellen.

Um das richtige Studium zu finden, sollte man sich gut kennen. Wer bin ich eigentlich? Was will ich im Leben erreichen? Wo sind meine Interessen? Das Wichtigste ist, herauszufinden, wofür man eine Leidenschaft entwickelt kann. Ohne Leidenschaft ist es Quälerei.

Was hat mir mein Studium gebracht? Nicht der Titel Diplom-Ingenieur, sondern das im Studium erlernte Wissen brauchte ich, um mich beruflich weiterzuentwickeln.


Engelken

 

Herkunft ist nicht entscheidend - sondern Wissbegierde!

 

 

 

Nicole Engelken

Studentin Management im Gesundheitswesen in Wolfsburg

Interview

Zurzeit studiere ich im vierten Semester und bin zusätzlich Hiwi an der Ostfalia als First-Generation-Student.

Aus meiner Familie habe ich keine besondere berufliche Prägung. Meine Mutter ist Einzelhandelskauffrau, mein Vater hat schon in mehreren Berufen gearbeitet. Er ist ursprünglich gelernter Dreher, aktuell hat er einen Bürojob bei einem Autozulieferer.

Nach meinem Abitur 2010 am Braunschweiger Wilhelm-Gymnasium habe ich zunächst eine dreijährige Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau absolviert. Ich wollte finanzielle Unabhängigkeit und wissen, wie es sich anfühlt, jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Aber schon etwa zur Mitte meiner Ausbildung habe ich gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich zu sein schien. Zum einen fühlte mich nicht richtig gefordert. Zum anderen reichte die Bezahlung einfach nicht aus, um allein davon leben zu können. Hinzu kam die enorme Arbeitsbelastung, nicht nur die vielen Stunden an sich, sondern auch die Schichtarbeit. Da kommt man irgendwann an seine Grenzen – und fragt sich, wozu habe ich eigentlich mein Abitur gemacht? Außerdem bin ich sehr wissbegierig. So wurde mir klar, dass ich mich weiterbilden muss und noch einmal etwas anderes anfangen.

Natürlich hätte ich mich auch in meinem Lehrberuf weiter qualifizieren können, Trainerscheine erwerben und vielleicht ein eigenes Studio eröffnen. Diese Scheine sind aber teuer und keine Garantie, sich finanziell zu verbessern. Gut ausgebildete Sport- und Fitnesskaufleute werden immer noch schlecht bezahlt. Einen reiner Bürojob ist ohnehin nichts für mich, ich möchte in meinem Beruf mit Menschen zu tun haben. Deshalb habe ich im WS 2013 mein Studium an der Ostfalia begonnen.

Im Vertrauen auf mein Wissen und Können habe ich mich früh um den Studienplatz bemüht, die Alternativen abgewogen und mich ganz allein für das Studium entschieden. Da hat mir niemand reingeredet. Ich führe schon seit längerem ein eigenständiges Leben mit meinem Partner. Deshalb wusste ich, meine Eltern vertrauen und stehen voll hinter mir.

Lehre und Realität unterscheiden sich leider stark. In der Praxis läuft es anders als in der Theorie. Die Organisation ist oft schwierig, erfordert viel Zeit und eine helfende Hand. Erfolgen stehen Misserfolge gegenüber, die ich nicht immer nachvollziehen kann, insbesondere was die Notenvergabe angeht. Die Leidenschaft fürs Lernen wurde mir nicht in die Wiege gelegt und Vorlesungen sind nicht immer ein großer Spaß. Aber ich beiße mich durch die Theorie. In Finanzbuchhaltung zum Beispiel habe ich keine Vorlesung besucht, durch Fleiß beim Lernen zu Hause aber trotzdem eine 2,3 erreicht. Das war toll.

Besonders hart waren die ersten Semester im Grundstudium. Da kommt so schnell so viel Neues auf einen zu. Und wenn einen Noten zum Weinen bringen, gibt es auch mal Versagensängste. Die Tutorien helfen mir da sehr gut weiter. Leider kann ich wegen der Entfernung zu meinem Wohnort nicht viele andere Hochschulangebote nutzen.

Ich fände es gut, wenn man die Studierenden zu Beginn des Studiums besser über die organisatorischen Abläufe informiert. Das meiste ist Learning-by-doing. Mit Paten aus höheren Semestern wäre das vielleicht leichter.

Im Moment helfen und fördern wir uns sehr viel gegenseitig. Das kann in Lerngruppen sein oder auch in einer WhatsApp-Gruppe, in der man einfach mal seinen Frust loswerden kann.

Die Arbeit als Hiwi gefällt mir sehr. Man kann seine Zeit flexibel einteilen, wird ordentlich bezahlt und macht vor allem das, was man gern tut. Die Mitarbeiter und anderen Hiwis sind alle sehr freundlich. In so einem tollen Team macht es einfach Spaß. Auch bei Fragen oder persönlichen Problemen fühlt man sich jederzeit ernst genommen und wird unterstützt. Darum bin ich sehr dankbar und auch stolz, ein Teil der Ostfalia zu sein.


HorreHerkunft ist nicht entscheidend – sondern das Interesse am Fachgebiet!

 

Marius Horre

Student Handel und Logistik in Suderburg

Interview

Studien belegen, dass Kinder, die aus Nichtakademiker-Familien stammen, eher zu einer Ausbildung tendieren, während Kinder aus Akademiker-Haushalten eher ein Studium anstreben. Doch Ausnahmen bestätigen diese Regel.

 In meinem Fall ist es sogar so, dass ich durch meine Familie Unterstützung erfahren habe, obwohl mein Vater nicht aus einer Familie kommt, in der studiert wurde und meine Mutter zunächst recht skeptisch und sogar gegen das Studium war. Selbst durch meine Großeltern, die harte Zeiten durchgemacht haben und eigentlich immer zu einer Ausbildung geraten hatten, erfuhr ich schließlich viel Unterstützung. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie merkten, wie wichtig es mir war und wie viel Freude ich daran hatte.

Die Idee, ein Studium aufzunehmen, kam mir während eines FSJ in der Diana-Klinik in Bad Bevensen, das ich nach Abschluss meiner Fachoberschule absolvierte. Ich hatte dort viel Kontakt zu Abiturient_innen, die ebenfalls ein FJS machten, und der Austausch sowohl mit ihnen als auch mit meinem besten Freund und dessen Mutter, die ebenfalls studiert hatte, ließ die Möglichkeit, das auch ich studieren konnte, plötzlich ganz real werden. Ich erfuhr, dass ein Studium gar nicht so viel anders ist als eine Ausbildung, nur eben theoretischer, und dass man danach durchaus auch etwas Festes in der Hand hat. Plötzlich konnte ich die Vorteile erkennen und das Ganze viel besser einschätzen.

Ich spielte immer weiter mit diesem Gedanken und ließ mich von der Arbeit meines Vaters, der bei der Deutschen Bahn im Logistikbereich tätig ist, dazu inspirieren, den Studiengang Handel und Logistik hier in Suderberg zu wählen. Das ist meinem Heimatort näher als Offenburg, der einzige andere Ort, an dem man dieses Fach studieren kann. Mein Vater hat mich sehr unterstützt, obwohl er selbst nie studiert hat. Ich hatte das große Glück, dass wirklich keiner mir Steine in den Weg gelegt hat.

Für diesen Studiengang habe ich mich entschieden, weil Logistiker in Deutschland stark nachgefragt sind. Die Logistik ist die Lebensader der Wirtschaft, und somit ist man als Logistiker ein wichtiger Teil dieses Systems, das finde ich spannend. Es interessiert mich, logistische Abläufe zu begreifen und durchzuführen. Ich habe Freude daran, Prozesse so zu konzipieren, dass sie optimal verlaufen und verfüge über wirtschaftliches Verständnis. Das alles ist wichtig, wenn man als Logistiker arbeiten will. Mich reizt außerdem, dass die späteren Jobaussichten so vielseitig sind – von Lager über Einkauf bis zum Handel.

Ich bin froh, dass ich mir Zeit gelassen habe, herauszufinden, was ich wirklich möchte. Dafür waren die vielen Gespräche und Anregungen von außen sehr wichtig. Ein FSJ oder auch eine Ausbildung können eine gute Möglichkeit sein, Augen und Ohren offenzuhalten und zu schauen, welche Möglichkeiten es noch so gibt. Studieren kann man auch danach immer noch.

Klar, ein Studium ist etwas anderes als Schule, aber man kann sich schnell daran gewöhnen und sollte sich nicht gleich am Anfang durch die neuen Abläufe und Anforderungen verunsichern lassen. Ich habe die Selbstständigkeit im Studium schätzen gelernt: Einerseits gehe ich gerne feiern und kann das auch tun, andererseits weiß ich, wann ich mich am Riemen reißen und lernen muss.


GenningHerkunft ist nicht entscheidend – sondern Überzeugung!

 

Carmen Genning

Professorin für Biotechnologie und Umweltforschung in der Fakultät Versorgungstechnik

Interview

Ich mag es überhaupt nicht, wenn es irgendwo heißt: „Das kann sie nicht, weil sie ein Mädchen ist.“ Was für ein Unsinn! Ich hatte damit glücklicherweise nie zu kämpfen: Meine Eltern haben mich immer unterstützt, schon während der Schulzeit und auch, als ich studiert habe. Ich habe mich schon auf dem Gymnasium in Richtung Naturwissenschaften orientiert. Meine Fächerwahl war weder eine Frage der Vererbung noch der Vorbilder: Mein Vater hat als Maschinenschlosser gearbeitet, meine Mutter war Hausfrau. Ich fühlte einfach eine Neigung zu naturwissenschaftlichen Fächern, und niemand hat mir dabei Steine in den Weg gelegt.

Heute sind die sinnlosen Diskussionen darüber, ob Mädchen für Naturwissenschaften geeignet sind, dankenswerterweise viel seltener geworden als früher. Ich bin froh, dass ich selbst solchen Vorurteilen nicht ausgesetzt war. Ich bin nun einmal Naturwissenschaftlerin – die Wahl des Faches ist ja schließlich keine Frage des Geschlechts, sondern des Interesses!

Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr junge Frauen für ein naturwissenschaftliches Studium entscheiden. Das Miteinander gewinnt, wenn beide Geschlechter vertreten sind. An der Ostfalia ist es selbstverständlich, dass junge Frauen und junge Männer genau gleich gefördert werden. Wir räumen hier gründlich mit Rollenklischees auf: Zum Beispiel gehen in letzter Zeit viele meiner Absolventinnen in die Autoindustrie, um dort Karriere in den Ingenieurberufen zu machen. Von wegen, Frauen würde das Technische nicht liegen: Wir sehen hier ja tagtäglich die Gegenbeispiele!

Naturwissenschaften sind eben geschlechts- und wertneutral. Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder sexuelle Orientierung spielen in empirischen Fächern überhaupt keine Rolle. Wir haben einfach ein gutes Miteinander und leben Toleranz.

Unser Fachbereich bietet ganz unterschiedliche Karrierechancen: Viele meiner Studierenden arbeiten heute nicht nur in der Industrie, sondern auch an Forschungsinstitutionen wie dem Fraunhofer-Institut oder der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Es ist gar nicht ungewöhnlich, schon während des Studiums mit der Wirtschaft in Kontakt zu kommen, weil die Hochschulforschung oft mit Unternehmen zusammenarbeitet. Studierende sind in diese Projekte eingebunden und können dabei Erfahrungen für ihren Berufsweg sammeln und auch erste Kontakte knüpfen.

Oder man studiert zunächst ohne konkrete Vorstellungen vom späteren Beruf. So habe ich es gemacht und nach dem Studium in Hannover und der Promotion am Institut für analytische Chemie erst einmal für das Land Niedersachsen im Immissionsschutz gearbeitet. Danach habe ich mich für die Lehre entschieden. Auch solche Freiheiten, sich auszuprobieren, lässt das Fach – die Möglichkeiten nach dem Abschluss sind sehr zahlreich!

Die Gesellschaft lebt von ihrer Vielfältigkeit. Und niemandem ist in die Wiege gelegt, was später einmal aus ihm oder ihr werden soll. Hauptsache, man ist überzeugt von dem, was man macht!


Hartwig

 

Herkunft ist nicht entscheidend – sondern Neugier!

 

 

 

Christoph Hartwig

Professor für Grundlagen der Elektrotechnik in der Fakultät Maschinenbau

Interview

Ich komme keineswegs aus einer Akademikerfamilie: Mein Vater und auch mein Großvater waren Bundesbahnbeamte. Meine Mutter hat Wäscherin gelernt und war dann Hausfrau. Ich habe als Erster und Einziger in der Familie studiert: Elektrotechnik in Hannover. Weil mich als Jugendlicher Naturwissenschaften neugierig gemacht haben und ich begeistert meine Zeit mit Tüfteleien verbrachte, lag der Studienwunsch für mich auf der Hand.

An der Universität folgte ein Schreck: Das Studium fiel mir am Anfang unerwartet schwer. Ich war immer ein guter Schüler gewesen, dem alles zugeflogen war und hatte nie gelernt, wie man lernt. An der Uni war die Stoffmenge aber viel größer, als ich es von der Schule gewohnt war. Und es gab keinen Lehrer mehr, der kontrolliert und antreibt, wenn man zu wenig arbeitet. Ich musste mich durchkämpfen – und habe sogar darüber nachgedacht, das Studium hinzuschmeißen.

Beim Vordiplom war ich zweimal durch eine Klausur gefallen. Ich hatte in diesem Fach noch eine letzte Chance auf eine mündliche Prüfung. Noch einmal durchzufallen, hätte das Aus für mein Studium bedeutet. Ich weiß, wie dramatisch sich solch eine Situation anfühlt. Ich kann heute mit meinen Studierenden, denen es wie mir damals geht, sehr gut mitfühlen: wenn es „hopp oder top“ heißt und man sich fürs Weiterkämpfen entscheiden muss.

Ich habe damals nicht aufgegeben, weil meine Neugier auf das Fach ungebrochen war. Und schließlich hat sich das Blatt doch gewendet. Einen ganz anderen Weg einschlagen als der Rest der Familie, dann erst einmal fast durchs Vordiplom fallen, aber letztlich selbst Professor werden – das geht! Und das ging auch deshalb, weil es an der Hochschule immer jemanden gab, der mich gefördert hat. Zum Beispiel mein Betreuer, der mir während meiner Diplomarbeit zur Seite stand. Er brachte mich zum ersten Mal auf den Gedanken, dass mein Platz an der Universität sein könnte und nicht in der Wirtschaft.

Eine ebenfalls wichtige Förderung bekam ich als wissenschaftlicher Angestellter an der Universität durch meinen Doktorvater: Als er mich einstellte, brachte er mir bei, dass es im Beruf nicht in erster Linie auf die Noten ankommt.

Nach dem Kolloquium für meine Diplomarbeit hat mir mein Prüfer eine weitere wichtige Erkenntnis bestätigt: Man ist dann gut in einem Fach, wenn man es möglichst genau und dabei möglichst einfach darstellen kann. Bis heute sehe ich deshalb jede einzelne bestandene Prüfung meiner Studierenden als persönliche Bestätigung: Daran erkenne ich, dass ich Inhalte gut vermittelt habe – genau und einfach eben.

Was ich im Rückblick über meine akademische Karriere sagen kann:

Der Mut, als Erster in meiner Familie an die Universität zu gehen, hat sich ausgezahlt. Selbst aus Rückschlägen und aus den Gedanken ans Aufgeben habe ich etwas gelernt: Jeder Tiefpunkt lässt sich überwinden. Und ich durfte erfahren, dass es immer wieder Menschen an Hochschulen gibt, die Studierenden Unterstützung und Förderung bieten. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Weg gegangen bin. Denn dafür erlebe ich eine Tätigkeit als Professor, die vielfältig ist und nie langweilig wird. Und ich kann heute selbst junge Menschen unterstützen und auf ihrem Weg in den Beruf begleiten.

Ich hoffe, dass Schülerinnen und Schüler schon früh ihre eigenen Talente erkennen – und dass sie voller Zuversicht ein Fach aussuchen, in dem sie Spaß haben werden. Die Herkunft ist für den Erfolg an einer Hochschule überhaupt nicht entscheidend. Sondern vor allem Neugier, die antreibt. Das weiß ich schließlich aus Erfahrung!

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