Menschen mit einer geistigen Behinderung haben es häufig schwer, eine Arbeitsstelle zu finden. Auch für Patientinnen und Patienten mit einer erworbenen Hirnschädigung ist es nicht leicht, in ihren Beruf zurückzufinden. Beide Personengruppen haben oft Schwierigkeiten, komplexe Handlungsabläufe auszuführen. Angesichts dessen bietet der Einsatz digitaler Unterstützungssysteme in der Rehabilitation großes Innovationspotenzial. Die Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel verfolgt in einem Forschungsprojekt das Ziel, Rehabilitationsverfahren über mobile Endgeräte in den Alltag der betroffenen Menschen zu integrieren und die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann für beeinträchtigte Menschen eine große Hürde sein. Eine speziell für mobile Anwendungen entwickelte App kann ihnen die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe erleichtern.
Die Grundlage bildet das Goal Management Training (GMT), bei dem ein übergeordnetes Ziel in überschaubare Teilziele zerlegt wird. Dadurch lassen sich die erreichten Ergebnisse mit den angestrebten Zielen regelmäßig abgleichen. Dieses evidenzbasierte Therapieverfahren wurde bisher papiergestützt eingesetzt, was die Übertragung in den Alltag erschwert. Deshalb hat das interdisziplinäre Forschungsteam in Zusammenarbeit mit seinen Kooperationspartnern das GMT digitalisiert und eine App entwickelt.
Mit Hilfe der GMT-App können Patientinnen und Patienten gemeinsam mit Therapeuten oder Berufshelfern die Anforderungen des Alltags beziehungsweise Berufs ermitteln und in Form von Handlungsabläufen abbilden. Diese sogenannten Workflows stellen sie aus individuell anpassbaren Bausteinen zusammen und führen sie auf mobilen Endgeräten wie Smartphones, Smart Watches oder Smart Glasses aus. Erste Praxistests zeigen, dass sich dadurch die Selbstständigkeit in Beruf und Alltag erhöht.
In enger Verzahnung mit den Praxispartnern, Nutzerinnen und Nutzern entwickelt das Ostfalia-Team die GMT-App partizipativ weiter. Der Datenschutz wird schon bei der technischen Gestaltung berücksichtigt und in diesem sensiblen Umfeld vertrauensbildend in den gesamten Entwicklungsprozess integriert (Privacy by Design). Aktuell laufen mehrere Evaluationsstudien, um den Wirksamkeitsnachweis für den vom Team entwickelten Prototyp zu erbringen. Im Nachfolgeprojekt SmarteInklusion liegt der Fokus stärker auf dem Praxiseinsatz.
Erschienen in Technologie-Informationen 1/2019