"Unsere Wasserversorgung ist ein hohes Gut"

  • 08.10.18 09:20

Wasser gibt es in der Regel im Überfluss – nur nicht überall dort, wo man es bräuchte; und auch nicht immer in der Qualität, wie es sein sollte. Dr. Hedda Sander und die Professoren Klaus Röttcher und Artur Mennerich arbeiten im Forschungsfeld "Integrierter Gewässer- und Bodenschutz" der Ostfalia. Im Interview sprechen sie darüber, wie sie unser Wasser schützen und wie jeder von uns einen Beitrag leisten kann. Und sie erklären, warum ihre Forschung eine schöne Aufgabe ist.

  Integrierter Gewässer- und Bodenschutz - Dr. Sander Integrierter Gewässer- und Bodenschutz - Prof. Mennerich und Prof. Röttcher

Dr. Sander, Prof. Mennerich und Prof. Röttcher über das Forschungsfeld

 


Wie geht’s unserem Wasser eigentlich?

Artur Mennerich: Überspitzt gesagt, leben wir in Deutschland im Paradies. Wir haben ein feuchtes Klima, so dass über lange Zeiträume immer reichlich neues Grundwasser gebildet wird. Davon nutzen wir nur einen Bruchteil – beispielsweise um Trinkwasser zu gewinnen. Dieses Wasser hat eine ausgezeichnete Qualität. Wir können es aus größerer Tiefe fördern und ohne große Aufbereitung in die Wassernetze geben. Aber: Im Oberflächenwasser und auch in oberen Grundwasserschichten finden wir doch anthropogene Einflüsse, die uns zeigen: Stoffe, die wir in die Umwelt entlassen, kommen irgendwann auch im Grundwasser an. Als Wasserwirtschaftler ist es unsere Aufgabe, die Naturressource Wasser in einem guten Zustand zu bewahren.

Klaus Röttcher: Wir merken, dass wir uns heute um Themen kümmern müssen, die es früher nicht gegeben hat. Überdüngung durch zu viel Nitrat und Phosphat in Grund- und Oberflächenwasser ist ein Thema, das wir noch nicht zufriedenstellend gelöst haben. Auch finden wir Spuren von Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten im Wasser. In der Regel dauert es sehr lange, bis sich Spurenstoffe im Wasser negativ auswirken und wir erkennen können, womit wir es zu tun haben. Wir sollten also schon heute alle Schadstoffe aus dem Wasser herausholen. Oder noch besser: Sie erst gar nicht ins Wasser reinkommen lassen.

Hedda Sander: Denn diese Schad- und Nährstoffe verändern die Wasserqualität und können durch Eutrophierung – ein Überangebot an Nährstoffen – dafür sorgen, dass unerwünschte Algen wachsen. Mein Forschungsgebiet ist die Phykologie: die Wissenschaft von den Algen. Der Harz beispielsweise ist ein altes Bergbaugebiet. Noch heute haben wir mit den Folgen zu kämpfen in Form von Schwermetallen, die in den Flüssen nachweisbar sind. Aktuell arbeiten wir an Filtern, die uns helfen, mit dieser Hinterlassenschaft fertig zu werden – mithilfe von Algen. Zellbestandteile von ihnen sind anscheinend dazu in der Lage, diese Schwermetalle zu absorbieren.

 


Wie gewinnen Sie die Algen?

Hedda Sander: Wir haben Lichtbrutschränke und Photobioreaktoren, um in größerem Maßstab unsere eigenen Algen züchten zu können. Darunter auch die, deren Schwermetalltoleranz besonders hoch ist – diese Spezies haben wir uns gut aufgehoben. Wir beziehen unsere Algen auch von anderen Sammlungen, etwa von der Universität Göttingen oder der University of Texas in Austin.

 


Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich?

Klaus Röttcher: Wir bereiten ein großes Projekt vor, in dem es darum geht, den Wasserverbrauch im Mekong-Delta in Vietnam zu reduzieren. Wenn dort in Küstenregionen den Böden zu viel Wasser entnommen wird, dringt Meerwasser nach. Das kann dazu führen, dass die Bauern irgendwann Salzwasser pumpen, um ihre landwirtschaftlichen Flächen zu bewässern. Wenn sie es nicht schaffen, nachhaltiger mit den Wasserressourcen umzugehen, können ganze Flächen verloren gehen.

Artur Mennerich: In einem meiner Projekte steht die biologische Abwasserreinigung im Mittelpunkt. Wir wollen den Stromverbrauch senken und die Energieeffizienz verbessern. Auch die Nutzung der im Abwasser enthaltenen Energie beschäftigt uns. Dabei geht es um die Frage: Wie kann sich die Kläranlage selbst mit Energie versorgen, um energieautark zu sein?

Hedda Sander: Im Wesentlichen beschäftige ich mich mit Seen im Binnenland. Um die Wasserqualität überwachen zu können, haben wir eine App auf den Markt gebracht. Sie kann anhand einfacher Messdaten – zum Beispiel Wassertemperatur und Phosphatgehalt – bewerten, wie stark ein Badesee von Blaualgen befallen ist. Und sie kann vorhersagen, wie sich das Algenwachstum in nächster Zeit entwickeln wird.

 


Warum ist das wichtig?

Hedda Sander: Die Algenblüten von Blaualgen produzieren Toxine. Das sind organische Giftstoffe, die schwerwiegende allergische Reaktionen hervorrufen können. In Zusammenarbeit mit unserer Partnerhochschule University of Wisconsin entwickeln wir die App gerade weiter – in Richtung künstliche Intelligenz. Wir wollen erreichen, dass die App mit jeder Anwendung dazulernt.

 


Was brauchen Sie, um in Ihrem Forschungsfeld vorwärts zu kommen?

Klaus Röttcher: Im Namen unseres Forschungsfelds steckt es drin: Wir brauchen integrierte Lösungen. Entscheidend sind die Netzwerke, in denen wir arbeiten. Nur gemeinsam lassen sich Lösungen umsetzen, etwa in Zusammenarbeit mit den Kommunen und Wasserverbänden.

Artur Mennerich: Wir benötigen die Diskussion mit anderen Disziplinen. Und in internationalen Projekten den engen Austausch mit unseren ausländischen Partnern, damit wir die Anforderungen verstehen und das passende Konzept entwickeln können. Systemische Ansätze spielen in unserem Forschungsfeld eine wichtige Rolle.

 


Welche Entwicklung bedeutet eine große Gefahr für das Wasser?

Klaus Röttcher: 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs gehen auf das Konto der Nahrungserzeugung – und der Anteil steigt. Denn um immer mehr Menschen satt zu machen, brauchen wir immer mehr Wasser. Die weltweiten Flüchtlingsströme haben auch etwas mit Wasser zu tun: mit fehlender Versorgungssicherheit und damit, dass Lebens- und Umweltbedingungen nicht ausreichend sind. Wenn es uns nicht gelingt, die Versorgung zu verbessern, wird es neue Konflikte geben.

Artur Mennerich: In Schwellen- und Entwicklungsländern zieht es viele Menschen aus den ländlichen Räumen in die Städte, wo sie die Hoffnung haben, dass es ihnen besser geht. In einem Verbundprojekt unter Beteiligung von Stadtplanern untersuchen wir, wie in schnellwachsenden Städten die Infrastruktur sozusagen mitwachsen kann, um auch die Wasserversorgung und die Entsorgung sicherzustellen.

 


Wie kann jeder von uns einen Beitrag zum Gewässer- und Bodenschutz leisten?

Klaus Röttcher: Wir müssen lernen, das Wasser nicht als Entsorgungspfad zu missbrauchen – etwa für Medikamente, Farben und Lacke. Kläranlagen sind darauf ausgerichtet, organische Materialien vom Abwasser zu trennen. Kurzum: Medikamente gehören nicht in die Toilette, Chemikalien nicht in den Ausguss.

Artur Mennerich: Wir haben als eines der wenigen Länder der Welt ein wirklich ausgezeichnetes Trinkwasser. Ich empfehle, öfter Leitungswasser zu trinken – anstatt Wasser in Plastikflaschen zu produzieren und den Plastikmüll dann wegzuwerfen.

 


Warum gefallen Ihnen das Forschungsfeld und Ihre Arbeit?

Hedda Sander: Im Sommer 2018 war die Hitze so groß, dass man beobachten konnte, wie viele Bäche austrockneten und unsere Wasserwerke und Versorgungsnetze wegen des erhöhten Wasserbedarfs an ihre Grenzen stießen. Die Menschen wurden dazu aufgerufen, auf Autowäschen und die Bewässerung von Gärten zu verzichten, um den Engpass in Stoßzeiten der Nutzung nicht zu verstärken. Vielen wurde plötzlich bewusst, wie wertvoll unser Wasser ist. Der Gewässerschutz ist eine besonders schöne Aufgabe.

 

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