Exkursion zur Netzleitstelle der Avacon Netz GmbH in Salzgitter - zwei Studierende berichten

Am 13.10.2017 erhielten die Studierenden des Masterstudiengangs Energiesystemtechnik interessante Einblicke in die vielfältigen Aufgabengebiete der Netzleitstelle der Avacon Netz GmbH in Salzgitter. Die Exkursion wurde begleitet von Herrn Prof. Benno Lendt sowie Herrn Prof. Ekkehard Boggasch und richtete sich an alle Studierenden der Vertiefungsrichtung „öffentliche und industrielle Energieversorgung“.

Teilnehmer/-innen der Exkursion zur Netzleitstelle der Avacon Netz GmbH in Salzgitter

Pünktlich um 8 Uhr startete die Exkursion vor dem Gebäude der Netzleitstelle, wo wir durch den Teamleiter, Herrn Foik, sowie seinen Mitarbeitern, Herrn Krischker und Herrn Rebmann, herzlich begrüßt wurden. Bereits beim Passieren der Sicherheitsschleuse in das Gebäude wurden wir uns des hohen Sicherheitsstandards bewusst. Auch im Gebäude werden alle sicherheitsrelevanten Abteilungen durch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen vor dem Eindringen unbefugter Personen geschützt, schließlich wird von hier aus das gesamte Versorgungsnetz der Avacon Netz GmbH, welches von der Nordseeküste bis nach Südhessen reicht, überwacht und gesteuert.

Als Veranstaltungsauftakt erhielten wir zunächst bei Kaffee, Kaltgetränken und belegten Brötchen eine kurze Einführung in die Unternehmensstruktur, die unterschiedlichen Dienstleistungen der Avacon Netz GmbH und die wesentlichen Aufgaben der Netzleitstelle. Neben den informativen Präsentationen spielte auch besonders die Einbindung der regenerativen Stromerzeugung in das vorhandene Netz und die daraus resultierenden Herausforderungen eine wichtige Rolle. Bereits mehr als 40.000 Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien (EE) sind an das Netz von Avacon angeschlossen, wodurch starke Schwankungen in den eingespeisten Energiemengen zu verzeichnen sind. So wurden zahlreiche Fragen zu diesem Thema aus dem Publikum gestellt und durch die Gastgeber ausführlich erläutert. Im Verlauf der Diskussionsrunde wurde uns deutlich: Die zukünftige zentrale Herausforderung liegt weniger in der Errichtung von neuen EE- Anlagen, sondern vielmehr im raschen Auf- und Ausbau der bundesweiten Verteilnetze. So wurde aus der Netzleitstelle berichtet, dass besonders in Gebieten mit zahlreicher Wind- und Photovoltaikenergieeinspeisung die Häufigkeit des Herabregelns oder des Abschaltens von Anlagen zu Zwecken der Netzstabilisierung stark zugenommen hat. Dies wurde bewertet als ein Zeichen dafür, dass der Netzausbau dem vermeintlich unkoordinierten Wachstum der EE- Einspeisung nicht Stand hält.

Neben dem Netzausbau wird in Zukunft jedoch auch die Speicherung der Energie im Fokus stehen – immer öfter kommt es zu einem vorübergehenden Energieüberschuss und es wird zunehmend komplexer, ein stabiles Versorgungsnetz zu erhalten. Effiziente und wirtschaftliche Speicherlösungen gilt es zu entwickeln und dezentrale Ansätze weiter zu optimieren, um die Flexibilität eines nachfrageorientierten Angebots erhalten zu können. Mit Sorge wird der Trend beobachtet: Solange vorhandene EE- Anlagen in Spitzenzeiten herabgeregelt oder gar komplett vom Netz genommen werden müssen und die Energie nicht für erzeugungsschwache Zeiten gespeichert werden kann, stärkt dies konventionelle Kraftwerke in unseren Nachbarländern, die uns zur Netzstabilisierung den notwendigen Strom bei Bedarf liefern können. Insofern für uns jungen Menschen, die sich der Energiewende verpflichtet fühlen, ein fader Beigeschmack.

Im Anschluss an die Diskussion erhielten wir die Möglichkeit, einen Rundgang durch die Netzleitstelle zu machen und den Mitarbeitern bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter zu sehen. Zur Gewährleistung einer 24h- Überwachung arbeiten diese im Schichtbetrieb. Zu den zentralen Aufgaben gehören die Netzführung, das Störungsmanagement und die Anlagenüberwachung inkl. Kundenservicetelefon für Störfälle. Jeder Dispatcher verfügt über drei große Monitore, auf denen er seinen Netzbereich stetig überwacht und bei auftretenden Störfällen schnellstmöglich handeln kann. Neben den Störfällen werden aber auch alle planmäßigen Schaltvorgänge nach vorheriger Prüfung und Freigabe durchgeführt. Jeder Schaltvorgang eines Dispatchers wird aus Sicherheitsgründen genauestens dokumentiert.

Im weiteren Tagesverlauf begrüßte uns Herr Springer in einer modernen Gasdruckregelstation und erklärte uns ausführlich die Funktionen der einzelnen Anlagenkomponenten. Zum Zeitpunkt der Besichtigung kam das Erdgas vom vorgeschalteten Transportnetzbetreiber mit einem Druck von ca. 50 bar an der Regelstation an und wurde auf 25 bar expandiert, wobei eine Durchfluss von etwa 40.000 m³/h zu verzeichnen war. Um die Anlage vor einer Vereisung, hervorgerufen durch den Joule- Thomson- Effekt, zu schützen, wird das Erdgas vor der Expansion vorgewärmt. Hierfür stehen der Anlage ein eigenes BHKW sowie Spitzenlastkessel zur Verfügung. Über die Anlagenkomponenten hinaus erläuterte uns Herr Springer noch einige Maßnahmen, die im Zuge von Instandhaltungsmaßnahmen am Netz regelmäßig durchgeführt werden müssen, so zum Beispiel auch die Reinigung der Rohrleitungen durch eine spezielle Apparatur (Molch), die in das Rohrnetz eingelassen wird. Abschließend diskutierten wir über die Vor- und Nachteile, das Gas über eine Expansionsturbine zu entspannen und so zusätzlich Strom zu gewinnen.

Die letzte Station unserer Exkursion führte uns in das Umspannwerk in Lebenstedt Süd, wo uns zwei Mitarbeiter durch das Umspannwerk führten und uns Rede und Antwort standen. Zunächst wurden wir angewiesen, unsere Hände während der gesamten Besichtigung in den Taschen zu lassen, um ein mögliches Überschlagen oder das Anfassen von Anlagenkomponenten zu verhindern. Schon beim Betreten des Innenbereichs konnten wir das „Klacken“ der Rundsteuer-Sendeanlage vernehmen. Diese zwar recht alte, aber störunempfindliche Technik dient zum ferngesteuerten Schalten bestimmter Verbraucher, wie zum Beispiel der Straßenbeleuchtung und könnte in Zukunft im Zuge eines erweiterten Lastenmanagements wieder an Bedeutung gewinnen. Im Außenbereich konnten zwei 110/20kV-Transformatoren mit den dazugehörigen Anlagenkomponenten wie Sammelschienen, Schalter und eine Spule zur Erdschlusskompensation besichtigen. Um den zuvor in einer Simulation vorgeführten Schaltvorgang an einer realen Anlage zu demonstrieren, wurde ein Freischaltvorgang eines der beiden Transformatoren für uns durchgeführt. Hierfür wurden nach dem spannungsseitigen Angleichen der Transformatoren zunächst die Leistungsschalter und dann die Trennschalter geöffnet, sodass die gesamte Leistung durch den redundanten Transformator übernommen wurde. Begleitet wurde das Spektakel durch kleine Lichtbögen und einem lauten Knistern. Im Anschluss wurde die Freischaltung wieder rückgängig gemacht und der Transformator wieder in Betrieb genommen. Während des kompletten Vorgangs stand der Techniker im Umspannwerk im dauerhaften Kontakt mit dem ausführenden Mitarbeiter in der Netzleitstelle, um genaue Anweisungen für eine sichere Durchführung des Vorgangs zu geben.

Durch die Exkursion konnten wir zum einen die unterschiedlichen Anlagenkomponenten besichtigen, ihre Funktionsweisen noch besser verinnerlichen und einen guten Überblick über die Aufgaben einer Netzleitstelle erhalten. Zum anderen hat der Wissensaustausch uns die Augen für die zunehmende Komplexität einer sicheren Energieversorgung geöffnet – und beim einen oder anderen die Lust geweckt, sich dieser Herausforderung in Zukunft anzunehmen.

Wir möchten uns daher abschließend herzlich bei der Avacon Netz GmbH und unseren Gastgebern für die Ermöglichung dieser Exkursion bedanken.

 

Text: Studierende D. Wanek, N.Merk
Fotos: Prof. E. Boggasch

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