Studierende besuchen das
Volkswagen Heizkraftwerk West

Die Anfahrt zum Kraftwerk auf dem Werksgelände (Quelle: Google Maps)

 

Studentischer Bericht über die Exkursion zum Volkswagen Heizkraftwerk West Wolfsburg am 07.11.2018

Das Volkswagenwerk Wolfsburg, 1938 gegründet, ist einer der größten Industriestandorte der Welt. In dieser „Stadt in der Stadt“ sind knapp 60.000 Menschen beschäftigt und produzieren am Fließband Fahrzeugteile und komplette Fahrzeuge.

Ein so großer Industriestandort benötigt vor allem eins: Energie. Hierzu gibt es im Werk zwei VW-eigene Kraftwerke, die den Energiehunger stillen sollen. Das alte Heizkraftwerk Nord/Süd entstand hierbei als erstes und ist bis heute eines der Erkennungsmerkmale des Werkes. Grund dafür sind die vier markanten Schornsteine. Da dieses Kraftwerk alleine nicht mehr ausgereichte, wurde ein zweites Heizkraftwerk gebaut. Das Heizkraftwerk West ist, ebenso wie das Nord/Süd, sowohl für die Erzeugung von Wärme als auch von Strom zuständig (Kraft-Wärme-Kopplung). Beide Kraftwerke zusammen dienen der Stromversorgung der Volkswagenwerke (Bilanzkreis) und der Fernwärmeversorgung des Werkes und der Stadt Wolfsburg.

Da im Heizkraftwerk West alle Bereiche der elektrischen Energieversorgung, vom Brennstoff über die Heizkessel bis hin zum Generator und Transformator auf engem Raum zu finden sind, eignete sich dieses Kraftwerk besonders für einen Einblick in die konventionelle Energieversorgung.

Am VW-Werk Wolfsburg angekommen, ging es zunächst vom Tor Ost mit dem Auto zum InfoCenter des Kraftwerkes. Die fast 5km lange Fahrt vom Eingang zum Kraftwerk gibt einen Anhaltspunkt darüber, wie riesig der Standort ist. Im InfoCenter gaben dann Mitarbeiter der VW-Kraftwerk GmbH in kurzen Vorträgen ein erster Überblick über das Kraftwerk und dessen Eckdaten.

Seit 1984/1985 wird dort in zwei baugleichen Blöcken mit einer Feuerungswärmeleistung von 750MW in Kraft-Wärme-Kopplung 130MW Strom und 120MW Wärme für das Werk und die Stadt Wolfsburg erzeugt. Maximal (ohne Wärmeauskopplung) sind bis zu 150MW erzeugte elektrische Leistung möglich. Um diese Leistung zu erzeugen, wird Steinkohle verbrannt. Hierbei werden ca. 50 Tonnen Kohle pro Stunde und Block (ca. 2400t pro Tag) in Volllast verbrannt. Um diese Mengen an Steinkohle vor Ort zu haben, wird täglich per Zug nachgeliefert.

Nach den Vorträgen über das Kraftwerk und die Energieverteilung am Standort begann die eigentliche Führung durch den Komplex. Aus dem InfoCenter ging es zu Fuß ca. 200m zum Block 2. Neben dem Gebäude zu stehen, gab einen ersten Eindruck davon, in welchen Dimensionen hier Stromerzeugung betrieben wird.

 

Das Heizkraftwerk West (Quelle:https://de.wikipedia.org/wiki/Heizkraftwerk_Wolfsburg_West#/media/File:Kraftwerk_Wolfsburg_West.jpg)

Mit dem Aufzug ging es auf das Dach des Gebäudes. Von dort bot sich ein einmaliger Blick über das VW-Werk und die Stadt Wolfsburg. Außerdem bekam man einen Überblick über die nähere Umgebung des Kraftwerkes mit Schornstein, Hochspannungsleitungen, Kohlelagerplatz und Kühlturm.

Es folgte ein kurzer Blick in das Kesselhaus. Dort stand man in ca. 70m Höhe auf einem Gitterrost und konnte die beeindruckende Stahlkonstruktion, in der der Dampferzeuger eingehängt ist, und den Boden des Gebäudes sehen. Schwindelfreiheit war somit von Vorteil.

Anschließend ging es um das Kraftwerk herum zum Kohlelagerplatz. Aus den Fenstern der Leitwarte der Brennstoffversorgung waren die zwei riesigen Berge Steinkohle und die Förderanlagen zu sehen. Obwohl die Kohlevorräte groß erschienen, wären diese im Falle eines Lieferausfalls über einen größeren Zeitpunkt relativ schnell verbraucht, was einen Eindruck darüber gab, wie viel Kohle tagtäglich in einem Kraftwerk dieser Größe verbrannt werden muss, um den Energiebedarf des Standortes und der Stadt zu stillen.

Vom Brennstoffversorgungsleitstand ging es in die eigentliche Leitwarte. Von hier aus werden sämtliche Vorgänge des gesamten Kraftwerks überwacht und gesteuert. Für den Betrieb des Kraftwerkes sind 1 Schichtleiter, 6 Maschinisten und ein Elektriker erforderlich, die den Überblick an den ca. 40 Kontrollmonitoren behalten.

Neben der Leitwarte steht eine mehrgeschossige Halle, in der sich das Herz des Kraftwerks befindet: Die Generatoren. Die zwei etwa garagengroßen Generatoren sind auf der obersten, begehbaren Ebene der Halle platziert. Jeweils neben einem Generator befinden sich die eingehausten Turbinenstufen, die über eine durchgehende Welle den entsprechenden Synchrongenerator antreiben.

Diese oberste Ebene wirkt dabei sehr überdimensioniert, da die Generatoren inklusive Turbinen nur einen Bruchteil der Halle ausfüllen. Der Großteil der Anlage befindet sich jedoch auf den tieferen Ebenen. Rohrleitungen, Pumpen, Leistungsschalter und Verkabelungen sind von der obersten Ebene nicht zu sehen, bilden aber ein weitverzweigtes Netz unterhalb der Generatoren und machen deren Betrieb erst möglich.

Beeindruckend sind auch hierbei die Dimensionen. Obwohl die Bauteile teilweise die gleichen Aufgaben erfüllen wie in einem Wohnhaus, ist beispielsweise ein Schalter über einen Meter hoch und kann nur auf Rollen bewegt werden. Auch die Speisewasserpumpen erfüllen im Wesentlichen die gleiche Aufgabe wie herkömmliche Pumpen, sind aber im Vergleich riesig und benötigen mehr Energie als hunderte Haushalte im Jahr.

Zum Abschluss der Führung ging es wieder nach draußen. Vor der Halle stehen zwei Transformatoren, die den erzeugten Strom in die Freileitung einspeisen. Dies ist der letzte Schritt auf dem Weg der Stromerzeugung im Kraftwerk.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Besuch eines Kraftwerkes im Rahmen der Vorlesung „ Elektrische Energieversorgung“ von Herrn Prof. Büchel eine sehr gute Ergänzung zum theoretischen Stoff bietet. Beeindruckend ist dabei vor allem, wie groß und aufwendig der Schritt vom Brennstoff zum Endprodukt Strom ist. Ein großer Berg Kohle wird in zwei riesigen Dampferzeugern verbrannt, damit am Ende in den zwei Generatoren Strom produziert werden kann, der schließlich „lediglich“ eine Produktionsstätte und eine Stadt versorgen kann.

Allgemein ließ diese Exkursion einen Blick in eine Welt zu, für die man bisher wenig Vorstellungsvermögen hatte. Dampferzeuger in der Größe eines Hochhauses, Stromkabel, die so dick wie ein Unterarm sind und ein Brennstoffverbrauch, der nur durch tägliche Güterzuglieferungen zu decken ist, sind nur einige Beispiele für die immensen Dimensionen, die ein Kraftwerk aufweist.

Studierende gemeinsam mit Prof. Oliver Büchel (5.v.l.) während der Exkursion im Rahmen des Labors Elektrische Energieversorgung (EEV). Foto: L.Schneider

Text: Student Tim Luneberg

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