Prof. Dr. Oliver Kostermann ist Anfang des Jahres neuer Professor an der Fakultät Bau-Wasser-Boden. Im Interview mit der Ostfalia-Redaktion berichtet er über seine Aufgaben und Ziele am Campus Suderburg.
Prof. Dr. Oliver Klostermann.
Ostfalia-Redaktion:
Zum 1. Januar 2022 haben Sie Ihre Professur an der Fakultät Bau-Wasser-Boden
angetreten. Was ist der fachliche Schwerpunkt Ihrer Professur und was beinhaltet Ihr
Aufgabenbereich an der Ostfalia genau?
Prof. Dr. Oliver Kostermann:
Mit den Studierenden des Bauingenieurwesens erörtere ich zunächst die ingenieurtechnischen
Grundlagenfächer wie z.B. Mechanik und Festigkeitslehre. In den höheren Semestern des Curriculums
dann die materialorientierten statisch konstruktiven Fächer wie Stahlbau, konstruktiver
Stahlwasserbau und Tragwerksplanung im Stahlbau. Parallel synchronisiere ich mein Netzwerk aus
meinem beruflichen Leben mit den Forschungsmöglichkeiten hier an der Ostfalia. Hier bieten sich
durch das sich etablierende VR*-Labor bereits direkte Anknüpfungspunkte zur Praxis.
Ostfalia-Redaktion:
Was haben Sie vor Ihrem Ruf an die Ostfalia gemacht und was hat sie motiviert, nach
Suderburg zu kommen?
Prof. Dr. Oliver Kostermann:
Nach gewerblicher Ausbildung im Stahlbau, sich anschließendem Studium, sowie
darauffolgender Promotionszeit an der TU-Dortmund war ich bei der SEH-Engineering GmbH in Hannover
zunächst als Projekt- und später dann als Bereichsleiter für den Stahl- und Stahlverbundbrückenbau
verantwortlich. Zuletzt war ich bei der BeMo-Tunnelling in Dortmund als Abteilungsleiter für den
Industrie- und Stahlbau ebenfalls vorrangig im Brückenbau tätig.
Beide Unternehmen führen komplexe Infrastrukturmaßnahmen aus, oftmals mit umfangreicher Verantwortungsübernahme innerhalb der Arbeitsgemeinschaften in denen solche Projekte realisiert werden. Ich hatte also das große Glück neben der Bearbeitung komplexer technischer Fragestellungen auch an den vertraglichen Diskussionen mit den Auftraggebern und zwischen den ARGE-Partnern beteiligt zu sein. Das war spannend und fordernd zugleich, es wurde also nie langweilig.
Für die anstehenden gesamtgesellschaftlichen Aufgaben sind fundiert ausgebildete IngenieurInnen unerlässlich. Die notwendige Erneuerung unserer Infrastruktur kann m.E. nur gelingen, wenn wir die Art und Weise wie wir teilweise in Deutschland große Bauprojekte, speziell Infrastrukturprojekte abwickeln anders angehen. Wir müssen weg vom bisherigen Ausschreibungsprinzip (der billigste bekommt i.d.R. den Zuschlag) und benötigen lösungsorientierte Entscheidungsprozesse auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite. Für die in diesem Zusammenhang anstehenden notwendigen Diskussionen benötigen wir kompetente und mündige Fachleute.
Mein Engagement in Suderburg ist somit auch mit der Hoffnung verbunden hierzu einen nachhaltigeren Beitrag zur leisten als bisher.
Ostfalia-Redaktion:
Was macht für Sie gute Lehre aus und was reizt bei Ihren Forschungsaktivitäten am
meisten?
Prof. Dr. Oliver Kostermann:
Die Inhalte der ingenieurtechnischen Grundlagenfächer sind ja leider
teilweise recht trocken. Die Zusammenhänge und somit die Notwendigkeit der inhaltlichen
Auseinandersetzung im Rahmen des Studiums erschließt sich für die Studierenden teilweise erst im
späteren Verlauf des Studiums, wenn die Teildisziplinen zusammengeführt werden.
Die erste Aufgabe besteht somit aus meiner Sicht die Studierenden am „dranbleiben“ zu motivieren und immer wieder den Bezug zur Praxis herzustellen, weiterhin müssen wir die statisch-konstruktiven Sachverhalte wenn möglich erlebbar machen. Neue Medien, 3D-Visualisierungen und frühzeitiges heranführen an die FE-Programme** zur Strukturanalyse können hierbei helfen. Der Lernaufwand wird sich dadurch allerdings nicht reduzieren.
Im Rahmen der Neunentwicklungen finde ich die additiven Fertigungsmöglichkeiten hoch spannend, auch im Stahlbau ergeben sich durch den 3D-Druck völlig neue Möglichkeiten. Hier muss man mal schauen wie wir uns als vergleichsweise kleine Fakultät einbringen können. Als zweites Themengebiet gibt es einige Anknüpfungspunkte aus meiner beruflichen Praxis mit den bereits vorhandenen Aktivitäten im Bereich Virtual und Aguemented Realitiy.
Ostfalia-Redaktion:
Welche aktuellen Entwicklungen innerhalb Ihres Fachgebiets beeinflussen Ihre Arbeit
an der Hochschule im Besonderen und welche Zielsetzungen sind für Sie damit verbunden?
Prof. Dr. Oliver Kostermann:
Die Menge von Daten und Informationen die im Rahmen von Projektabwicklungen erhoben,
organisiert, strukturiert und verarbeitet und im Zweifel für die verschiedenen Fragestellungen
erneut mit Variationen aufbereitet werden müssen, ist enorm und wird weiterhin steigen. Hier nutzt
die Bauindustrie als relativ konservativer Industriezweig die vorhandenen Möglichkeiten m.E. nur im
geringen Maße. Die Möglichkeiten der 3D-Konstruktion, Visualisierung und Datenaufbereitung wird im
Planungsprozess bereits intensiv genutzt, gebaut wird i.d.R. Immer noch anhand von 2D-Plänen. Hier
sind wir aus meiner Sicht erst am Anfang der digitalen Durchdringung des gesamten Bauprozesses.
Meine Wahrnehmung im Hochschul-Alltag ist eine ähnliche, die meisten Studierenden arbeiten mittlerweile umfangreich mit Tablets. Auch hier gehen die Möglichkeiten der Endgeräte eigentlich weit über die Funktion eines digitalen Schreibblocks hinaus. Vernetzung, gemeinsames Arbeiten und Lernen in digitalen Gruppen sind spannende Themen, bei denen ich noch enormes Potential auch in der späteren praktischen Anwendung sehe, ich zugegebener Maßen aber selber noch eine Menge lernen muss.
Ostfalia-Redaktion:
Vielen Dank für dieses Gespräch.
*Virtual Reality
**Software zur Festkörperberechnung