Im Interview: Prof. Dr.-Ing. Markus Wallner

  • 28.04.20 15:23
  • Sabrina Dora Seal
  •   Suderburg

Im Interview: Prof. Dr.-Ing. Markus Wallner

Prof. Dr.-Ing. Markus Wallner erhielt seinen Ruf an die Ostfalia Hochschule im August 2019. Hier lehrt und forscht der Professor für Siedlungswasserwirtschaft mit dem Schwerpunkt Siedlungsentwässerung und urbane Hydrologie an der Fakultät Bau-Wasser-Boden am Campus Suderburg. Mehr darüber berichtet er im Interview mit der Ostfalia-Redaktion.

 

Was haben Sie vor Ihrem Ruf gemacht?

Mein Werdegang ist vielleicht nicht ganz typisch für eine Professur, da ich sehr unterschiedliche Stationen durchlaufen habe, bevor ich in meinem heutigen Schwerpunkt der Siedlungsentwässerung gelandet bin. Ich habe an einer Fachhochschule Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Konstruktiver Ingenieurbau studiert. Nach einem kurzen Ausflug in die Arbeitswelt habe ich ein Masterstudium im Bereich Wasser und Umwelt begonnen, da mich dieses Thema schon während meines ersten Studiums interessiert hat. Trotz konstruktiver Vertiefung habe ich bereits an der Fachhochschule fast alle Fächer aus dem Wassersektor mitgenommen.

Während meiner Promotion arbeitete ich vor allem an Methoden basierend auf künstlicher Intelligenz, um die Analyse von Hochwassern über hydrologische Modelle in unbeobachteten Einzugsgebieten in Niedersachsen möglichst robust zu gestalten. Anschließend war ich an einem Projekt im südlichen Afrika beteiligt, bei dem es um die Analyse der Grundwasserneubildung eines semi-fossilen Aquifer (Grundwasserleiter) ging. Dieser dient der Bevölkerung als letzte Reserve der Wasserversorgung während Dürreperioden. Erst danach bin ich in die Siedlungsentwässerung eingestiegen. Die letzten Jahre habe ich als Entwicklungs- und Projektingenieur in einem kleinen, aber forschungsstarken Ingenieurbüro für Siedlungsentwässerung gearbeitet.

 

Wo liegt der Fokus Ihrer Professur?

Zukünftig möchte ich die Lehre hinsichtlich urbaner Sturzfluten, grün-blauer Infrastruktur sowie einer integrativen Betrachtung dieser Infrastruktursysteme und der fortschreitenden Digitalisierung in der Siedlungsentwässerung weiter ausbauen. Daran arbeite ich mit Unterstützung einer Hilfswissenschaftlerin zum Teil auch schon.

 

Warum haben Sie sich für dieses Forschungs- und Lehrgebiet entschieden?

Nachdem ich die ersten Jahre meiner Laufbahn vornehmlich mit natürlichen hydrologischen Systemen zu tun hatte, wollte ich wieder mehr den technischen Aspekt des Bauingenieurwesens in den Vordergrund rücken. Es ist spannend, da wir mit unseren Entwässerungssystemen und all seinen dazugehörigen Bauwerken in den natürlichen Wasserkreislauf eingreifen. Wir müssen dabei auf verschiedenste Randbedingungen achten. So war zum Beispiel in der Vergangenheit das Motto: So schnell wie möglich raus mit dem Regen aus der Stadt. Mittlerweile fährt man da aber andere Ansätze und versucht den natürlichen Wasserkreislauf so weit wie möglich beizubehalten. Das beinhaltet zum Beispiel die ortsnahe Versickerung oder auch die Nutzung der Verdunstungswärme, um urbane Hitzeinseln abzukühlen. Alles ist miteinander vernetzt und muss auch so betrachtet werden. Dabei spielen auch politische Interessen ein. So ist zum Beispiel die Nachverdichtung, um Wohnungsraum zu schaffen, momentan ein spannendes und brandaktuelles Thema. Hierfür benötigen wir Kapazitäten in den bereits bestehenden Entwässerungssystemen. Manchmal gibt es diese aber schlicht und ergreifend nicht mehr. Man kann die Kapazitäten bestehender Netze aber auch nicht einfach vergrößern. Hinzu kommt beim Niederschlagsgeschehen oder bei den urbanen Hitzeinseln auch noch eine Verschärfung der Situation durch den Klimawandel. Man sieht, viele verschiedene natürliche, technische und auch politische Aspekte, die es zu beachten gilt. Eine reine Kanalnetzsimulation, um die Auslastung des Netzes zu analysieren, wird zukünftig nicht mehr reichen. Wir benötigen hier fachübergreifende Diskussionen und ganzheitliche Lösungsansätze.

 

Eines Ihrer Gebiete sind Abwassernetze. Was ist daran so spannend?

Die Herausforderung ein technisches System so umzusetzen, dass man in den natürlichen Wasserkreislauf möglichst schadfrei eingreift, der Bevölkerung aber einen höchstmöglichen Schutz gegen Überflutung und die Aufrechterhaltung der hygienischen Verhältnisse gewährleistet. Unter uns liegen unglaubliche Schätze. Den Meisten ist gar nicht bewusst, was sich da unter unseren Städten an wertvoller Infrastruktur befindet.

Es macht Spaß, neue Projekte aufzuziehen. Wenn man zum Beispiel anfängt ein Entwässerungssystem zu planen und erst einmal die Grundlagen dafür schafft. Am Anfang werden da lediglich Striche für den Kanal, Punkte für die Schächte und Kästchen für Sonderbauwerke in einem Kanalnetzmodell konstruiert und die hydraulischen Verhältnisse nachgebildet. Aber je konkreter man wird, desto mehr muss man sich mit den örtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen. Wie schauen die Bodenverhältnisse aus? Wie hoch steht das Grundwasser an? Wie sieht der Leitungsbestand aus? Man sieht, es sind viele verschiedene Randbedingungen zu beachten. Und dann geht das Ganze, was man am Zeichentisch beziehungsweise Computer ‚verbrochen‘ hat, in die Umsetzung über und wird gebaut. Mir gefällt der Umgang auf der Baustelle. Da stehen die Macher, ohne die überhaupt nichts gehen würde und die eine unheimlich große praktische Erfahrung haben. Daher sollte man auch tunlichst auf alle Hinweise, die aus dieser Richtung kommen, hören und gegebenenfalls seine eigenen Ansätze hinterfragen. Wir alle lernen jeden Tag dazu.

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