Fachleute für Stadt- und Regionalmanagement können Städte und Regionen zukunftsweisend mitgestalten

  • 28.08.20 11:00
  • Nadine Zimmer
  •   Salzgitter

Prof. Dr. Grit Leßmann und Prof. Dr. Andreas Burth sehen gute Zukunftschancen für qualifizierten Nachwuchs im Stadt- und Regionalmanagement. Mehr dazu im Interview mit der Ostfalia-Redaktion.

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Illustration: Ostfalia

 

Wir alle spüren tagtäglich, wie stark die Corona-Pandemie unsere Gesellschaft verändert. Was hat das Stadt- und Regionalmanagement damit zu tun?

Burth: Das Stadt- und Regionalmanagement (SRM) spielt hier eine enorm wichtige Rolle und steht in der Zukunft vor großen Herausforderungen. So drohen beispielsweise viele Innenstädte auszusterben. Große Warenhäuser schließen Filialen und auch immer mehr kleine Läden verschwinden. Dieses Problem bestand bereits zuvor, wird durch die Corona-Pandemie aber weiter verstärkt. Hierfür braucht es dringend Lösungen, die die Innenstädte wiederbeleben oder komplett neu erfinden.

Aber Stadt- und Regionalmanagement ist noch viel mehr als das. Wir alle wollen an lebenswerten Orten wohnen und uns dort zu Hause fühlen. Wir wollen nicht nur vielfältige Einkaufsmöglichkeiten, sondern auch eine gute Verkehrsinfrastruktur, attraktive Arbeitsplätze, unbürokratische Behördengänge, ein breites kulturelles Angebot und vieles mehr.

Solch eine hohe Lebensqualität fällt aber nicht vom Himmel. Hierfür brauchen die Städte, Gemeinden und Landkreise dringend hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um das Stadtmarketing, die Verkehrsplanung, die Wirtschaftsförderung, die Stadtplanung usw. kümmern.

Was müssen die Städte und Regionen tun, um lebenswert zu bleiben?

Leßmann: Die Städte und Regionen müssen zum Beispiel den durch die Corona-Pandemie beschleunigten Strukturwandel in der Arbeitswelt aktiv begleiten. Die Corona-Pandemie hat vielen Unternehmen gezeigt, dass das Home-Office im Grunde gut funktioniert – und einige wollen es daher beibehalten. Deshalb überlegen Unternehmen, einige ihrer teuren Büroflächen in den Innenstädten aufzugeben.

Das Problem ist aber, dass nicht alle Beschäftigten zu Hause den nötigen Platz, die nötige Ruhe oder die nötige technische Ausstattung haben. Für solche Beschäftigten bieten sich Konzepte wie Desk-Sharing oder Coworking-Spaces an. Städte und Regionen, die diesen Strukturwandel wirksam unterstützen, machen ihren Standort attraktiver und locken neue Unternehmen an. Davon profitiert auch die Gemeinschaft durch neue Arbeitsplätze und zusätzliche Steuereinnahmen.

Das ist jedoch nur ein Beispiel. Pauschale Lösungen gibt es leider nicht, da jede Stadt und jede Region anders ist. Aber genau das macht den Reiz aus. Wir brauchen viele neue Ideen, um unsere Lebensqualität aufrechtzuerhalten.

Burth: Und gerade für diese neuen Lösungen ist die junge Generation prädestiniert. Die aktuellen Schulabgängerinnen und Schulabgänger sind digital aufgewachsen. Dadurch haben sie einen völlig neuen Blick auf Probleme und können damit innovative Lösungen entwickeln. Zugegeben: Mit alten Strukturen zu brechen und neue Ideen umzusetzen, ist nicht leicht. Das gilt umso mehr für öffentliche Verwaltungen. Für die aktuelle Generation der Schulabgängerinnen und - abgänger sind die Chancen aber einmalig gut.

Öffentliche Verwaltungen gelten nicht gerade als innovativ. Warum sind die Veränderungschancen ausgerechnet für die aktuelle Generation der Schulabgängerinnen und -abgänger so gut?

Burth: Die neuen Lösungen werden vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln, die für die Kommunen (z.B. Städte, Gemeinden, Landkreise) und die kommunalen Unternehmen (z.B. Stadtmarketing-Gesellschaften) arbeiten. Ein Blick auf die Altersstruktur verrät, warum die Chancen so außergewöhnlich sind: Sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Die Kommunen stehen vor einer regelrechten Ruhestandswelle! Daher müssen die Kommunen hunderttausende Jobs neu besetzen und suchen händeringend nach jungen, qualifizierten Fachkräften. Diese jungen Fachkräfte werden dadurch schneller Verantwortung übernehmen dürfen, als alle Generationen vor ihnen.

Und wie hängt das mit dem Bachelor-Studiengang „Stadt- und Regionalmanagement“ zusammen?

Leßmann: Stadt- und Regionalmanagement bereitet die Studierenden auf solche Jobs im öffentlichen Dienst vor.  Viele unserer Absolventinnen und Absolventen arbeiten nach ihrem Abschluss bei Kommunen und kommunalen Unternehmen.

Und die Erfahrung zeigt, dass der öffentliche Dienst auch für sehr viele junge Menschen hochattraktiv ist. Zum einen ist der öffentliche Dienst der Inbegriff für einen sicheren Job. Zum anderen arbeitet der öffentliche Dienst nicht für den Profit einzelner, sondern für das Gemeinwohl.

Den Absolventinnen und Absolventen stehen neben dem öffentlichen Dienst aber noch viele weitere Türen offen. So entwickeln beispielsweise private Unternehmen, Fachverbände und Hochschulen ebenfalls Lösungen für die Städte und Regionen. Auch hier wird Stadt- und Regionalmanagement-Expertise gesucht.

Was unterscheidet den Studiengang Stadt- und Regionalmanagement  von  anderen Studiengängen?

Burth: Allgemeine BWL-Studiengänge und die meisten anderen Management-Studiengänge bereiten ihre Studierenden schwerpunktmäßig auf eine Karriere in privaten Unternehmen vor.  Unser Studiengang vermittelt diese Unternehmenssicht ebenfalls. Ergänzend lernen die Studierenden in Stadt- und Regionalmanagement aber auch die kommunale Sicht kennen.

Leßmann: Und gerade diese kommunale Sicht ist unverzichtbar, denn Kommunen und Unternehmen sind völlig unterschiedliche Gebilde. Das fängt z.B. schon damit an, dass Kommunen stark politisch gesteuert sind: Statt Unternehmenseignern sind in Kommunen die Wählerinnen und Wähler und die gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter die wichtigsten Entscheidungsträger. Ebenso geht es in Kommunen nicht um Gewinnmaximierung, sondern um das Wohl aller Bürgerinnen und Bürger. Daher sind viele klassische BWL-Konzepte nicht auf Kommunen übertragbar.

Wer in einer Kommune etwas verändern will, muss verstehen, was Kommunen besonders macht und wie sie funktionieren. Sonst läuft man schnell gegen die sprichwörtliche Wand.

Viele Studienanfängerinnen und Studienanfänger kommen direkt aus der Schule und haben daher nur eine grobe Vorstellung von den Studienfächern im Curriculum. An welche Schulfächer knüpft Stadt- und Regionalmanagement an?

Leßmann: Inhaltlich knüpft es an den Schulfächern Politik-Wirtschaft und Erdkunde/Geographie an. Diese werden im Studium weiter vertieft. Unsere Studierenden verstehen dadurch einerseits alle wichtigen Zusammenhänge in unserer Wirtschaft. Andererseits lernen sie praxisnah, wie sie Städte und Regionen gestalten und verändern können. Inhaltliche Details zu allen Studienfächern können Studieninteressierte im Modulkatalog nachlesen.

Burth: Als Bachelor-Studiengang bietet Stadt- und Regionalmanagement eine Grundlagen-Ausbildung. Die Studierenden können im Bachelor-Studium für sich erkunden, wo sie später arbeiten wollen und sich dann durch ein Master-Studium (z.B. zur Wirtschaftsförderung oder zum Stadtmarketing) weiter spezialisieren.

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