Wenn das Wohnzimmer zum Hörsaal wird

  • 31.03.20 16:30
  • Nadine Zimmer
  •   Salzgitter Suderburg Wolfenbüttel / Am Exer Wolfenbüttel Wolfsburg

Das Aussetzen der Präsenzlehrveranstaltungen an niedersächsischen Hochschulen am 16.3. aufgrund der aktuellen Coronavirus-Lage stellt Lehrende und Studierende vor neue Herausforderungen. Während die Universitäten den Semesterbeginn nach hinten verschoben haben, läuft das Sommersemester an den Fachhochschulen bereits seit Anfang März.

Diese Situation ließ quasi über Nacht die Frage in den Fokus rücken: Wie klappt Lehre ohne Präsenz – und zwar sofort?

Während beispielsweise in den Online-Studiengängen der Ostfalia prinzipiell nur sehr wenige Präsenzveranstaltungen im Semester vorgesehen sind, erfordert die Situation in anderen Studiengängen weitaus mehr Flexibilität und Kreativität. Nicht nur technisches Know-How ist gefragt, sondern auch ein gutes Stück Mut zum Ausprobieren und Geduld auf allen Seiten. „An unserer Fakultät ist die Lehre praktisch nahtlos weitergelaufen, allerdings sehr unterschiedlich: Von Onlinelehre mit verschiedensten Systemen, mal gut, mal nicht so gut funktionierend, als auch durch Kollegen, die Videos erstellen oder Aufgaben rausgeben und per E-Mail kommunizieren“, berichtet Prof. Dr.-Ing. Jens Wagner, Dekan der Fakultät Versorgungstechnik. „In jedem Fall bei allen Kollegen unter Schwierigkeiten und mit großem persönlichem Engagement und Einsatz“, betont er.

Das bestätigt auch Prof. Dr.-Ing. Björn Elsche aus der Fakultät Bau-Wasser-Boden am Standort Suderburg. An der Fakultät würden momentan verschiedene Wege beschritten, um die Lehre aufrechtzuerhalten. Die dort bereits etablierte Plattform Stud.IP werde genutzt, um darüber sowohl mit den Studierenden zu kommunizieren als auch Daten wie Skripte, Übungsaufgaben und zum Beispiel auch Lösungen hochzuladen. Darüber hinaus werden auch Vorlesungen online gehalten. „Mittlerweile halte ich alle meine Vorlesungen als Onlinevorlesungen, die von den Studierenden sehr gut angenommen werden“, sagt Elsche. Mit einem Tablet könne er nicht nur Folien für alle im Livestream zeigen, sondern Zeichnungen und Anmerkungen ebenso gut wie an Tafeln darstellen und auch die ergänzenden Tools wie Chats, Umfragen und Monitorfreigaben für die Studierenden zum Präsentieren von Aufgabenlösungen setzt er ein. „Die Studierenden haben diese Form der Vorlesung als mindestens genauso gut wie die Präsenzvorlesungen bezeichnet. Sicherlich ist es ein deutlicher Mehraufwand, die Vorlesungen so umzustellen. Das Feedback meiner Studierenden rechtfertigt diesen Aufwand aber“, so Elsche.

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Der Arbeitskreis E-Learning trifft sich gerade immer freitags um 8.30 Uhr virtuell im Videokonferenzsystem BigBlueButton und tauscht sich aus. Interessierte sind herzlich willkommen. 

Technische Lösungen und Erste-Hilfe-Tipps zum E-Learning

Für die abrupt gestiegene Nachfrage nach technischen Lösungen hat das Rechenzentrum in den vergangenen zwei Wochen weitere Möglichkeiten geschaffen. Neben schon etablierten Lernmanagementsystemen wie Moodle und Stud.IP kommt beispielsweise aktuell auch der Videokonferenzservice BigBlueButton vermehrt zum Einsatz. Darin ist ein Whiteboard integriert, Präsentationen oder Videos können geteilt sowie Umfragen gemacht werden.

Das Zentrum für erfolgreiches Lehren und Lernen (ZeLL) der Ostfalia unterstützt Lehrende bei der Konzeption ihrer Veranstaltungen dabei, einen guten (Online-)Weg für die Lehre zu finden. Die Expertinnen und Experten haben zum Beispiel in 10 Punkten die wesentlichen didaktischen Erfolgsfaktoren für digitale Lehre zusammengefasst und stehen bei der Umsetzung und Anpassung an die individuellen Lehrsituationen zur Seite. „Beim E-Learning ist es natürlich vordergründig wichtig, dass die Technik funktioniert. Mindestens genauso wichtig ist aber auch das didaktische Konzept hinter der Online-Lehre, mit dem Lernprozesse initiiert und begleitet werden“, erklärt E-Learning-Didaktikerin Silke Gausche. Das Lernmanagementsystem Moodle beispielsweise biete vielfältige Einsatzmöglichkeiten für kollaboratives Lernen sowie unterschiedliche Feedbackmöglichkeiten, wie Foren, Online-Quizzes, aber auch die Möglichkeit zum Einbinden interaktiver Videos – weit über die reine Videokonferenz hinaus. „Bei diesen mannigfachen Methoden ist es wichtig, seine Lehrziele nicht aus den Augen zu verlieren. Und dabei beraten wir gerne“, so Gausche.

„In unserem neuen Studiengang Digital Technologies greifen die Lehrenden bereits umfassend auf Cloud-Lösungen sowie Webkonferenz- und Co-Working-Tools zurück“, sagt Prof. Dr.-Ing. Reinhard Gerndt aus der Fakultät Informatik. In dem hochschulübergreifenden Studiengang zwischen der Ostfalia und der TU Clausthal seien so in nur einer Woche und ohne Unterbrechung des Lehrbetriebs die meisten Präsenzveranstaltungen auf Videovorlesungen umgestellt gewesen.

Lehrende nehmen Vorlesungen auf und stellen sie zum Download bereit

Eine alternative Möglichkeit zur Live-Online-Vorlesung haben zwei Lehrende der Fakultät Maschinenbau in den letzten zwei Wochen intensiv erprobt und genutzt. Dr.-Ing. Gerhard Stebner vom Institut für Mechatronik und Prof. Dr.-Ing. Christian Heikel vom Institut für Konstruktion und angewandten Maschinenbau zeichnen im Homeoffice Vorlesungen als Videos auf und laden diese bei Stud.IP hoch. „ Ein Studierender, der bereits Erfahrung im Erstellen von Lernvideos hatte, hat mich dabei telefonisch beraten“, erzählt Heikel. Gegenseitige Hilfe und das Lernen voneinander – das seien Dinge, die durch die ungewohnte Situation noch mehr im Fokus stehen als sonst.

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Der Screenshot zeigt ein Beispiel einer Videovorlesung von Prof. Dr.-ing. Christian Heikel vom Institut für Konstruktion und angewandten Maschinenbau.

Meist setzt sich Heikel nun abends, wenn die Kinder schlafen und es ruhig im Haus ist, vor den PC und zeichnet für seine Studierenden Lehrvideos auf. „Den PC habe ich mit einer Art Grafikpad erweitert, das es mir erlaubt, während der Aufnahme handschriftliche Notizen und Markierungen auf den Folien vorzunehmen“, erklärt Heikel. Für die Studierenden stellt sich das dann wie folgt dar: Sie hören und sehen Ihren Professor in einem kleinen Bildschirmfenster unten rechts und darüber hinaus können Sie die Folien mit den Inhalten und den handschriftlichen Notizen und Markierungen auf dem Bildschirm verfolgen, die Heikel im Verlauf des Videos hinzufügt und mit denen er seine Erläuterungen unterstreicht.

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Dr.-Ing. Gerhard Stebner vom Institut für Mechatronik im Homeoffice.

Sein Kollege Gerhard Stebner hat für seine Studierenden vor der Kamera bereits den privaten Staubsauger-Roboter auseinandergebaut. „Der ist zufällig kaputtgegangen und da konnte ich meinen Studierenden in der Vorlesung Elektrische Antriebe direkt einmal die Praxisrelevanz aufzeigen und ihnen die fünf Motoren genauer zeigen, die in dem Gerät verbaut sind“, so Stebner. Belohnt wird dieser Einsatz mit positivem Feedback der Studierenden: „Sie sind sehr dankbar, dass das Semester irgendwie weitergeht“, sagt Stebner. Aus den Downloads und den Fragen, die ihm per E-Mail gestellt werden, schließt er, dass die Studierenden die Inhalte auch wirklich annehmen und damit arbeiten. „ Manche Studierende gehen sogar weiter und sagen, dass die Videoaufzeichnung Vorteile hat. Sie können beispielsweise das Tempo an ihre Bedürfnisse anpassen“, so Stebner. Und auch, wenn sich Stebner und Heikel einig sind, dass der direkte Austausch in den kleinen Lerngruppen, die die Präsenzlehre an der Ostfalia ausmachen, auf diese Weise nicht ersetzt werden kann, so kann sich Stebner gut vorstellen, auch nach der Corona-Krise seine Präsenzlehre durch Lehreinheiten per Videos zu ergänzen.

Service - Arbeitskreis E-Learning

Immer freitags um 8.30 Uhr treffen sich Lehrende unterschiedlicher Fakultäten und Einrichtungen der Ostfalia im digitalen Besprechungsraum auf der Plattform Moodle, um sich über Thema E-Learning auszutauschen. Interessierte sind herzlich eingeladen und melden sich zur Teilnahme am besten bei Silke Gausche unter s.gausche@ostfalia.de

Text: N.Zimmer, 31.3.20
Bildverweise: Screenshot 1: S.Gausche, Screenshot 2: N.Zimmer, Bild 3: G. Stebner

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