„Decoding the Disciplines“

Der Ansatz zur Verbesserung der Lehre von Prof. Dr. Pace geht davon aus, dass Lehrende neben ihrem Fachwissen zusätzlich über weitere fachspezifische Denkweisen und Fähigkeiten verfügen, die ihnen die Problemlösung in ihrem Lehrgebiet erheblich vereinfachen.

In Unternehmen werden beispielsweise nur 2% des Wissens verschriftlicht* und nur 10% des Wissens werden explizit festgehalten.**Viele wirtschaftsrelevante Fähigkeiten sind nur mittels des impliziten Wissens erlernbar, die meist mehr das „wie“ als das „was“ eines Fachgebietes betreffen: Beispielsweise das Management komplexer Aufgaben, der Umgang mit unvollständigen Informationen, große Teile der Personalführungsfähigkeiten, aber auch studienrelevante Fähigkeiten wie das Lesen einer Bilanz sind durch implizites Wissen wesentlich mitbestimmt.

Für dieses Knowhow galt lange Zeit, es sei nicht lehrbar und müsse langfristig mittels Versuch und Irrtum erworben werden. Einigen Studierenden gelingt das Lernen durch Versuch und Irrtum, viele bleiben jedoch auf der Strecke, meist mangels Orientierung, Fehlen von passendem Feedback oder weil die Motivation auf halbem Weg versiegt.

Die Methode „Decoding the Disciplines“ macht nun die spezifischen Denkweisen des Experten sichtbar und leichter erlernbar.

David Pace brachte seinen Studierenden beispielsweise explizit bei, wie man einen geschichtswissenschaftlichen Fachtext so fachspezifisch liest, dass man daraus die wesentlichen Informationen leicht extrahieren kann. Das vorherige Hauptproblem der Studierenden, durch die nebensächlichen Informationen der immensen Literaturmengen überladen zu werden, wurde gelöst. Die Studierenden konnten effizienter und selbständiger lernen.

Im Laufe der letzten Jahre wurde die Methode auch in anderen Lehrgebieten der Geistes- und Naturwissenschaften erfolgreich eingesetzt, beispielsweise in der Molekularbiologie, der Astronomie, in den Politik- und den Literaturwissenschaften. Daher kann inzwischen davon ausgegangen werden, dass jedes Lehrgebiet seine spezifischen Methoden und Denkweisen hat, die das Lernen wesentlich erleichtern können.

Die folgende Vorgehensweise erleichtert das Entschlüsseln der fachspezifischen Denkweisen und hat sich daher etabliert:

  1. Problemthema identifizieren
    Als erster Schritt wird der „Flaschenhals“ für die Studierenden in der Vorlesung ermittelt. Häufig haben Lehrende intuitiv einen guten Eindruck, bei welchen Inhalten sich Studierende in der Vorlesung schwer tun. Dies können fachliche Verständnisschwierigkeiten, aber auch schwierige Reaktionen der Studierenden auf bestimmte fachliche Inhalte sein.

  2. Analyse der Expertenlösung
    Jetzt wird Schritt für Schritt ermittelt, wie ein Lehrender und erfahrener Anwender bei der Lösung oder Vermeidung des Problems vorgeht. Die Erfahrung hat gezeigt, besonders gut funktioniert dies gemeinsam im Tandem aus Lehrendem als Fachexperten mit einem Decoding-erfahrenen Interviewer im Gespräch. Viele Denkweisen und Vorgehensweisen des Experten geschehen unbewusst und automatisiert, was sie so effizient aber gleichzeitig auch schwer zu erkennen macht.

  1. Lehrbares Modell extrahieren
    Aus den gewonnenen Erkenntnissen wird ein Modell für die Lehre entwickelt, das für die Studierenden umsetzbar ist und in die bestehende Lehre integriert wird. Hier ist ebenfalls die Arbeit im Tandem hilfreich.

  1. Übungen und Feedback designen
    Auch, wenn die Denkweisen nun explizit gelehrt werden können, ist Übung ein wesentlicher Faktor beim Erwerb der Fähigkeiten. Übung gelingt mit einem adäquaten Feedback am besten.

  1. Motivation im Lehr- und Lernprozess
    In Schritt fünf kümmern wir uns um die Motivation der Studierenden. Auch, wenn durch die explizite Darstellung der Denkweisen das Lernen erleichtert wird, ist Motivation ein wesentlicher Faktor für den Lernerfolg und Umgang mit Rückschlägen. Die Transparenz der Vorgehensweise nach dem Decoding unterstützt die Motivation der Studierenden erheblich, da sie Orientierung im Lernprozess bietet.

  1. Messung des Fortschritts
    Schließlich benötigen wir eine Messmethode. Etwas, woran wir erkennen können, ob die Studierenden tatsächlich Fortschritte machen und der eingangs gefundene Flaschenhals verschwindet.

  1. Breiteren Nutzen generieren
    Im letzten Schritt überlegen wir, ob bzw. wie wir das gewonnene Knowhow auch anderen bekannt machen können, so dass die Erkenntnisse möglichst viel Nutzen generieren.

Über Prof. Dr. David Pace

David Pace ist emeritierter Professor für Geschichte an der Indiana University in Bloomington, USA. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist Europäische Geschichte, insbesondere die Geschichte Frankreichs. Gleichzeitig wurde es ihm über die Jahre immer wichtiger, seine Lehre um die wichtigsten geschichtswissenschaftlichen Kernfähigkeiten zu erweitern und den Studierenden das Lernen seines Faches zu erleichtern. Seit 1998 ist David Pace Co-Direktor des “I.U. Freshman Learning Project“, um auch fachübergreifend die Denkweisen von Experten für Studierende leichter lehr- und erlernbar zu machen.

Mit Joan Middendorf Ph.D. (ebenfalls Indiana University) und Prof. Dr. Janice Miller-Young (Mount Royal University, Calgary, Canada) ist David Pace der führende Vertreter des Decoding-Ansatzes. Er macht die Methode nun seit einigen Jahren in Europa bekannt.

Wir freuen uns, dass David Pace die Ostfalia seit mehreren Jahren regelmäßig besucht und diese damit zu seinen wenigen Anlaufpunkten in Deutschland gehört.

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