Zeitzeug*innen im Interview
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach begann seine Tätigkeit an der damaligen Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel im Jahr 1971. Von 1989 bis 1995 war er Rektor der Fachhochschule, im Weiteren bis 2013 Präsident der heutigen Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften.
Ostfalia-Redaktion:
Professor Umbach, können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre Aufgaben und
Tätigkeitsschwerpunkte an der heutigen Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften geben?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Meine Tätigkeit an der Fachhochschule begann bereits in den 1970er Jahren. Von 1971 bis 1974
war ich als Lehrbeauftragter für Mathematik in den damaligen Fachbereichen Versorgungstechnik und
Elektrotechnik tätig. Im Jahre 1974 wurde ich dann als Professor für Mathematik im Fachbereich
Versorgungstechnik berufen und im Jahr 1983 zum Dekan des Fachbereichs gewählt. Dieses Amt hatte
ich nach meiner Wiederwahl bis zum Jahr 1989 inne und habe mich während dieser Zeit am Aufbau
dieses Fachbereichs beteiligt. Im Jahre 1989 wurde ich zum Rektor und im Jahre 1995 zum Präsidenten
der Fachhochschule gewählt. Nach vielen Jahrzehnten in unterschiedlichen Ämtern und Funktionen habe
ich mich 2013 in den Ruhestand verabschiedet. Neben und nach meiner Tätigkeit an der Ostfalia bin
ich aber weiterhin als Vorsitzender des Technischen Innovationszentrum Wolfenbüttel e.V. (TIW),
Vorstandsvorsitzender des Studentenwerks OstNiedersachsen sowie als Präsident des Landessportbundes
Niedersachsen aktiv.
Ostfalia-Redaktion:
Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an die Ostfalia Hochschule denken?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Das ist für mich leicht zu beantworten: Ich denke als Erstes an das unglaubliche
Wachstum der Hochschule über die letzten fünf Dekaden. Dieses Wachstum war mit einer großen
Weiterentwicklung auf unterschiedlichsten Ebenen verbunden: Über die Jahrzehnte sind die Standorte
Wolfsburg, Salzgitter und Suderburg hinzugekommen. Ebenso natürlich neue Gebäude, Lehrende und
Generationen von Studierenden. Diese Entwicklung konnten wir unter anderem mit Hilfe des
Hochschulpakts erreichen. Es wurden neue Stellen in Lehre und Verwaltung geschaffen sowie neue
Studiengänge, Forschungsrichtungen und Projekte entwickelt. Auch die Anzahl der Studierenden ist
stetig gewachsen. In meinen Anfängen an der Hochschule hatten die damaligen Standorte Wolfenbüttel
und Braunschweig zusammen ungefähr 2.300 Studierende. Diese anfängliche Anzahl ist bis 2018 auf
beachtliche 13.000 Studierende gestiegen.
Auf dieses unglaubliche Wachstum bin ich im Rückblick besonders stolz und sehe auch eine große Chance darin. Die Hochschule hat in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel wissenschaftlichen Nachwuchs hervorgebracht und gefördert. Wir haben immer großen Wert auf einen Praxisbezug und eine anwendungsorientierte Lehre gelegt: Wir wollten keine Massen ausbilden, die hinterher in der Arbeitswelt keine Stellen finden. Selbstverständlich war es auch unser Ziel, dass die Studierenden direkt in unserer Region einen Arbeitsplatz finden. Deshalb war es mir stets wichtig, die Potentiale in der Region zu bündeln und den Studierenden früh einen Kontakt zu möglichen späteren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu ermöglichen. Auch deswegen ist das Studieren im Praxisverbund eine zentrale Eigenschaft von Hochschulen. Die Hochschulen wollen Studierenden eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung bieten, die aber durch praktische Erfahrungen auch einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht. Als Hochschule haben wir die Möglichkeit, den Studierenden früh Verbindungen zur Arbeitswelt zu bieten und so Karrierechancen zu eröffnen. Auch aus diesem Grund müssen Hochschulen in der Region verwurzelt sein und eng mit Unternehmen und Betrieben zusammenarbeiten, um Praxisanteile gewährleisten zu können.
Ostfalia-Redaktion:
Sie waren vor Ihrer Tätigkeit als Rektor und späterer Präsident der Hochschule auch
als Dekan im ehemaligen Fachbereich Versorgungstechnik tätig. Was waren aus Ihrer Sicht zentrale
Herausforderungen der Forschung und Lehre in den 1980er Jahren?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Wir konnten als starkes Fakultätsteam viele Drittmittel einwerben und haben durch
unsere Forschung in den Bereichen Klimatechnik, Regelungstechnik, Elektrotechnik sowie Gastechnik
in dieser Zeit zahlreiche bundesweite Preise, wie beispielsweise die Hermann-Rietschel-Medaille
, gewonnen. Mit unseren Erfahrungen konnten wir auch den Aufbau des Standortes Wolfsburg
unterstützen. So konnten unter anderem Professorinnen und Professoren, die zunächst in Wolfenbüttel
berufen wurden, später am neuen Standort in Wolfsburg eingesetzt werden. Natürlich hatten wir auch
zu dieser Zeit mit Herausforderungen zu kämpfen – beispielsweise als wissenschaftliche Einrichtung
so attraktiv zu sein, dass herausragende Forscherinnen und Forscher nicht von anderen
Fachhochschulen oder Universitäten abgeworben werden. Zugleich galt es, selbst immer wieder neue
geeignete Fachkräfte für unsere Forschungsaufgaben zu gewinnen.
Ostfalia-Redaktion:
Seit September 2009 agiert die Hochschule unter dem Namen „Ostfalia“. Inwiefern hat
der neue Name die Identität bzw. das Profil der Hochschule aus Ihrer Sicht beeinflusst?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Im Zuge des Wachstums der Hochschule, bei dem neue Fachbereiche bzw. Fakultäten,
Studiengänge und vor allem Standorte hinzugekommen sind, wurde der gesetzlich eingetragene Name
unserer Entwicklung einfach nicht mehr gerecht. Wir brauchten also einen Namenszusatz, der auf alle
vier Standorte passte. In Zusammenarbeit mit einer Agentur wurden rund 150 Vorschläge erstellt. In
unabhängigen Entscheidungsgruppen ist dann die Wahl auf Ostfalia Hochschule für angewandte
Wissenschaften gefallen. Diese „Dachmarke“ benennt zum einen geographisch das Gebiet zwischen
Hildesheim und Uelzen/Lüneburg, in dem alle Standorte der Hochschule zu finden sind. Zum anderen
verdeutlicht der neue sie auch die Entwicklung der Fachhochschule zur Hochschule für angewandte
Wissenschaften. Die eingetragene Dachmarke „Ostfalia“ hat sicherlich auch die Identität der
Hochschule positiv beeinflusst. Aus meiner Sicht hat sie auch gleich eine große Akzeptanz genossen,
das Profil der Hochschule geschärft und sicherlich ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl
gestiftet.
Ostfalia-Redaktion:
In Ihrer Amtszeit haben Sie stets viel Wert auf die Idee des Netzwerks gelegt. Warum
ist das Verknüpfen wissenschaftlicher Potentiale in unserer Region so wichtig?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Die Region Braunschweig ist eine der forschungsintensivsten Regionen Europas.
Natürlich kann man versuchen, die eigene Forschung in einzelnen Bereichen alleine voranzutreiben,
aber es ist aus meiner Sicht immer erfolgreicher, dies in einem größeren Verbund zu tun. Es war ein
wichtiger Schritt, sich am Forschungsstandort Braunschweig in ein Netzwerk einzubringen und so
gemeinsam innovative Forschung voranzubringen. Wir mussten uns die Fragen stellen: Was gibt es in
der Region? Wie kann man in dieser Region Potentiale der Forschung bündeln und nutzen? Die Ostfalia
ist eine forschungsstarke Hochschule, die seit jeher ein großes Drittmittelaufkommen aufweisen kann
und über die letzten Jahrzehnte viele Mittel vom Bund und Land einwerben konnte. Dieser Erfolg der
Hochschule kam aus meiner Sicht auch durch den Praxisverbund, die zahlreichen Kooperationen und das
Agieren in Netzwerken zustande. Die Ostfalia steht für anwendungsbezogene Forschung über
Disziplinen und fachliche Grenzen hinweg – wir haben gegenseitig profitiert und Potentiale der
Region genutzt.
Ostfalia-Redaktion:
Was möchten Sie der Hochschule zum 50-jährigen Bestehen gerne noch sagen?
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach:
Ich möchte der Ostfalia zur positiven Entwicklung der letzten 50 Jahre herzlich
gratulieren. Sie war für viele Generationen von Studierenden ein wichtiger Startpunkt. Ich wünsche
der Ostfalia, dass sie weiterhin für junge Menschen ein Ort zum Lernen und Forschen ist, der ihnen
den Einstieg in die berufliche Laufbahn ihrer Wahl ermöglicht.