Zeitzeug*innen im Interview
Peter Franke
BU: Dipl.-Ing. Peter Franke leitete von 1981 bis zu seiner Pensionierung Anfang 2019 das Rechenzentrum der heutigen Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften.
Ostfalia-Redaktion:
Herr Franke, können Sie uns bitte eine kurze Beschreibung Ihrer Tätigkeit an
unserer Hochschule geben?
Peter Franke:
Vom 1.11.1981 bis zum 31.1.2019 habe ich das Rechenzentrum der Hochschule geleitet.
Mein Büro war in Wolfenbüttel. Häufig war ich allerdings unterwegs an den anderen Standorten der
Ostfalia. Durch die Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste (HBK) und den drei
Landesmuseen Braunschweig war ich oftmals dort vor Ort. Das war aber kein Problem, denn mein
Arbeitsplatz waren meine mobilen Geräte (z.B. Smartphone und Notebook). In den letzten zwei
Berufsjahren kam der virtuelle Desktop hinzu.
Zu den Schwerpunkten meiner Tätigkeit zählte die kontinuierliche Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur und die Einführung von IT-Verfahren für die hochschulweite Nutzung und durch die Kooperationen darüber hinaus.
Ostfalia-Redaktion:
Wie sah der IT-Bereich an der Hochschule zum Beginn Ihrer Tätigkeit aus?
Peter Franke:
1981 gab es zwei Rechner. Der eine war ein Prozessrechner Siemens 330 mit
Magnetkernspeicher, an dem zwei Blattschreiber und zwei Lochstreifenleser angeschlossen waren. Er
diente zur Steuerung einer Modelleisenbahn, aber auch für die Grundlagenausbildung in der
Programmentwicklung mit der Programmiersprache Fortran IV und der Echtzeitprogrammiersprache PEARL.
Der andere Rechner war ein 32Bit-Superminicomputer der Firma Prime, an dem 16 Terminals
angeschlossen waren. Er diente in der Lehre für die Grundlagen in der Programmentwicklung der drei
Fachbereiche in Wolfenbüttel mit den Programmiersprachen Basic, Fortran IV, Pascal, Modula-2 und C.
Darüber hinaus wurden umfangreiche Simulationsrechnungen auf diesem Rechner außerhalb der
Laborzeiten durchgeführt. Es waren für die Ausgabe zwei größere Nadeldrucker und ein großer
Flachbettplotter vorhanden. Die Datensicherung erfolgte auf Magnetbandspulen.
Im Rechenzentrum war zum Beginn meiner Tätigkeit ein weiterer Mitarbeiter tätig. Das Team wurde nach und nach personell vergrößert und umfasste im Januar 2019 mit Auszubildenden etwa 45 Personen.
Ostfalia-Redaktion:
An der Hochschule wurde unter Ihrer Leitung schrittweise ein
Campusmanagement-System etabliert. Wie wurden diese Prozesse vorher geregelt?
Peter Franke:
Was wir heute als Campus-Management-System (CMS) bezeichnen, war zum Beginn der
80er Jahre eine Anwendung zur Verwaltung von Stammdaten sowie den Prüfungs- und Leistungsdaten der
Studierenden. Eingeführt wurde die Software der HIS (heute: Hochschul-Informations-System eG) durch
Erlass des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Betreut wurde die Anwendung
von der zentralen EDV-Gruppe des Landes Niedersachsen und auf einem Zentralrechner im Rechenzentrum
der Bezirksregierung in Braunschweig betrieben. Damit hatte das Rechenzentrum der Ostfalia nur
indirekt zu tun, beispielsweise bei der Bereitstellung von entsprechenden Leitungsanschlüssen für
die Terminals und Drucker.
Gegen Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre wurde das neue Zulassungssystem eingeführt und ein Wechsel aller HIS-Anwendungen und Daten vom Rechenzentrum der Bezirksregierung in Braunschweig in die eigene IT-Infrastruktur der Ostfalia auf eigenen Rechnern vorgenommen. Seitdem betreut das Rechenzentrum der Ostfalia alle HIS-Anwendungen. Zusammen mit dem Zulassungssystem und den Anwendungen zur Verwaltung von Stammdaten sowie den Prüfungs- und Leistungsdaten der Studierenden wurden erstmals alle wesentlichen Funktionen des Student-Lifecycle abgebildet. Gegen Anfang der 90er-Jahre wurde mit der Etablierung von PCs die Notwendigkeit vom Rechenzentrum umgesetzt, die mit HIS-Systemen verwalteten Daten mit Textverarbeitung und Tabellenkalkulation weiterzuverarbeiten.
Ostfalia-Redaktion:
Bereits sehr frühzeitig hatte das Rechenzentrum der Ostfalia die webbasierte
elektronische Prüfungsverwaltung eingeführt. Hierbei konnten die Studierenden erstmals im
Self-Service-Verfahren Belegungen zu angebotenen Prüfungen vornehmen und die Prüfer*innen die Noten
online verbuchen. Somit hatten auch die Studierenden einen zeitnahen Online-Zugriff auf ihre
Leistungsdaten.
Peter Franke:
Mit der schrittweisen Einführung von HISinOne ab ca. 2010 wurde ein integriertes,
webbasiertes CMS für viele Prozesse an der Ostfalia eingeführt und laufend ausgebaut. Das
HISinOne-Portal – die vollständige Umstellung von allen alten HIS-Anwendungen wurde über einige
Jahre vorbereitet und im Sommer 2019 abgeschlossen – kombiniert inzwischen umfangreiche Funktionen
aus dem Hochschulalltag und wird sicherlich in den kommenden Jahren weiter ausgebaut.
Das Rechenzentrum war bei der Entwicklung von Referenzprozessen eines CMS in mehreren Arbeitsgruppen des Landes Niedersachsen und auf Bundesebene über viele Jahre aktiv beteiligt.
Ostfalia-Redaktion:
Was können Sie uns erzählen, wenn Sie an die Einführung der Ostfalia-Card
denken?
Peter Franke:
Das ist eine Geschichte für sich. Ich lasse die Anfänge mal weg. Das Rechenzentrum
wurde vom damaligen Hauptamtlichen Vizepräsidenten gebeten, eine Chip-Karte einzuführen und mit den
IT-Anwendungen zu verknüpfen. Es waren Geräte für die Herstellung bzw. Erstbedruckung der
Chip-Karte und die Aktualisierung des Gültigkeitsaufdrucks sowie den Ausdruck von Bescheinigungen
vorhanden. Jedoch wusste niemand so genau, was man mit einer Chip-Karte alles machen konnte bzw.
wollte und wie dies mit den vorhandenen IT-System verknüpft werden kann bzw. soll.
Wir hatten uns im Rechenzentrum darauf festgelegt, dass wir die Einführung allein durchführen und Einrichtungen der Hochschule nur bei Bedarf beteiligen. Zunächst hatten wir überlegt, was für die Studierenden eine Erleichterung bringen könnte und hatten uns im ersten Schritt für folgende Umsetzung entschieden: Studierendenausweis mit Lichtbild und Gültigkeitsaufdruck, sowie Semesterticket.
Als erstes Problem war zu lösen, wie das Lichtbild der Studierenden ins System kommt und in den IT-Anwendungen verfügbar gemacht wird. Softwareentwicklung und Gestaltung der internen Prozesse waren notwendig geworden. Alles bisher innerhalb des Rechenzentrums und unter Beteiligung der Studierenden. Es wurden Absprachen mit den Verkehrsbetrieben getroffen, die den Gültigkeitsaufdruck für die Verkehrsmittelnutzung akzeptierten, ja sogar begrüßten. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) war von Beginn an beteiligt. Danach folgte die Nutzung der Chip-Karte als Bibliotheksausweis. Hier war die Schnittstelle zum Bibliothekssystem zu lösen, sowie deren laufende Synchronisation. Kooperation mit dem Göttinger-Bibliotheks-Verbund und der Bibliothek der TU Braunschweig waren erforderlich, die sehr kollegial gelöst wurden. Weiter ging es mit einer Reihe von Nutzungsmöglichkeiten, wie Dienstausweis mit Lichtbild, die Zugangsberechtigung für Poolräume des Rechenzentrums und andere Gebäude und Räumlichkeiten der Ostfalia, die elektronische Geldbörse und Legitimation an den Kopierern und Druckern (Copy-Print-System), die elektronische Geldbörse für die Mensen und Wohnheime des Studentenwerkes und die Zugangsberechtigung für die Schließfächer am Campus Wolfsburg. Für alle Nutzungsmöglichkeiten wurden Prozesse in Abstimmung mit den Fachabteilungen entwickelt.
Auf das, was wir heute an Funktionalität mit der Ostfalia-Card realisieren, bin ich besonders stolz, da wir eine der ersten Hochschulen in der Bundesrepublik waren, die eine so breite Nutzungsmöglichkeit umgesetzt haben und seit vielen Jahren erfolgreich betreiben.
Im Auftrag haben wir vor vielen Jahren die Chip-Karte an der Uni Hildesheim und an der HBK Braunschweig in gleicher Funktionalität eingeführt.
Ostfalia-Redaktion:
Während Ihrer Zeit an der Hochschule sind zahlreiche Kooperationen des
Rechenzentrums mit Schulen, Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen entstanden. Warum waren
Ihnen Kooperationen im Bereich der IT-Infrastruktur so wichtig?
Peter Franke:
Als es noch einen oder mehrere große Rechner an den Hochschulen gab, an denen eine
überschaubare Anzahl von Terminals und Ausgabegeräte angeschlossen waren, bestand für Kooperationen
nur eine sehr begrenzte Notwendigkeit. Etwa beim gemeinsamen Einkauf von Hard- und Software, damit
sind Landeslizenzen bzw. Landesrahmenverträge gemeint.
Erst als vernetzte PCs mit entsprechender Serverkapazität und dem Hochschulnetz in der Fläche zum Einsatz kamen, wurden Kooperationen immer wichtiger. Der Austausch zwischen den Hochschulen mit Lösungen für IT-Anwendungen und IT-Infrastruktur hatte Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre an Bedeutung stark zugenommen. Durch die Gründung des Arbeitskreises der Leiter der Fachhochschulrechenzentren (ALF), die auf Einladung in Wolfenbüttel stattfand, intensivierten sich meine Kooperationen mit anderen Rechenzentren.
Die Ostfalia war die erste Fachhochschule in der Bundesrepublik, deren Rechenzentrum einen Gopher-Service, also ein Netzwerkprotokoll zum Abrufen von Dokumenten über das Internet etablierte und anschließend einen Web-Service zur Verfügung stellte. Das bedeutete für uns, dass wir uns mit anderen Rechenzentren auf elektronischem Weg austauschen konnten. Ebenfalls begannen viele weitere Kooperationen durch die Mitgliedschaft im Deutschen Forschungsnetz und die Vertretung der Interessen der Fachhochschulen im DFN-Verein (Deutsches Forschungsnetz), die ich anfangs als Sprecher der niedersächsischen und später auch aller Fachhochschulen Deutschlands übernommen hatte.
Die Hochschulleitungen hatten sich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wirklich mit dem Themenfeld Wissenschaftsnetz/Internet Neuland auseinandergesetzt und stuften es noch nicht als besonders wichtig ein. Wozu braucht man E-Mails? Es reicht ja auch ein Brief. Nun ja, ich hatte Glück, meine Ideen wurden gefördert und nicht gebremst. Somit waren wir eine der ersten Fachhochschulen, die über einen Anschluss an das Deutsche Forschungsnetz verfügten – mit 2.400 Baud –für Insider, haben wir angefangen. Für E-Mails und Gopher reichte es aus. Mit der Aufrüstung auf die vierfache Geschwindigkeit kam dann der Web-Service (jedoch ohne Bilder und andere Medien, auch ohne Werbung) ins Rechenzentrum. Die Entwicklung ging dann über die Jahre rasant weiter. Heute ist das Internet mit all seinen Diensten und Möglichkeiten eine Selbstverständlichkeit, aber auch mit all seinen Nachteilen und Herausforderungen, die aus der Kommerzialisierung und den sozialen Medien entstanden sind. Die Kooperationen von Hochschulen nutzen heute die Möglichkeiten der breitbandigen Vernetzung über das Internet.
Die Anbindung von Schulen an das Wissenschaftsnetz wurde in Wolfenbüttel Anfang der 90er Jahre durch parallele Anfragen von Gymnasien an mich gerichtet. Wir haben zunächst ein wenig mit zwei Gymnasien „experimentiert“. Den Durchbruch brachte jedoch eine Kooperation mit den Stadtwerken Wolfenbüttel, den zwei Gymnasien, dem Stadtrat und dem Leiter der Medienbildstelle. Wir arbeiteten Konzepte für die Anbindung aller Wolfenbütteler Schulen aus, belegten die Maßnahme mit Kosten und reichten an den Bürgermeister der Stadt einen gemeinsamen Antrag ein. Dann ging alles sehr schnell. Die Stadt stimmte dem Antrag zu und stellte für die Baumaßnahmen die finanziellen Mittel zur Verfügung. VerSuS (Vernetzte Schul- und Studienstadt) war geboren. Nach Paderborn war Wolfenbüttel die zweite Stadt in der Bundesrepublik, die alle Schulen flächendeckend über eine Hochschule mit dem Internet versorgte. Dies fand beim Deutschen Städtebund eine besondere Beachtung und ebenso beim Kultusminister in Niedersachsen sowie bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, die sich vor Ort informierten. Heute sind alle Schulen in Wolfenbüttel über breitbandige Glasfaserleitungen mit dem Anschluss an das Wissenschaftsnetz der Ostfalia verbunden. Die Stadt Wolfenbüttel finanziert diese Versorgung.
Weitere Kooperationen sind durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur und den damaligen Präsidenten der Ostfalia entstanden. Dazu zählt die HBK (Hochschule für Bildende Künste) und die drei Landesmuseen Braunschweig. Nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren kamen noch mehr Kooperationen hinzu. Für diese Hochschulen habe ich auch IT-Konzepte entwickelt und war bei der Einstellung von IT-Leitungen an der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Hochschule Harz und Hochschule Magdeburg-Stendal beteiligt. Daraus sind auch persönliche Verbindungen und Kooperationen mit mehreren Hochschulen entstanden, die heute auch noch Bestand haben.
Ostfalia-Redaktion:
Was war aus Ihrer Sicht die bedeutendste Innovation des Rechenzentrums zu Ihrer
Zeit?
Peter Franke:
Da gibt es mehrere wie den ersten Anschluss an das Wissenschaftsnetz, den Neubau
des Rechenzentrums, der zu den wichtigsten Voraussetzungen in den 90er Jahren gehörte, um die immer
weiter wachsende IT-Servertechnik entsprechend unterbringen zu können. Ebenso die flächendeckende
Vernetzung mit 1 Gbit/s bis ans Endgerät, der flächendeckende Ausbau des W-LAN, die breitbandige
Verbindung aller Standorte der Ostfalia. Der breitbandige Anschluss an das
Wissenschaftsnetz/Internet sind weitere wichtige Voraussetzungen für die Digitalisierung der
Ostfalia mit Anwendungen, Daten und Prozessen sowie die Umsetzung der erforderlichen IT-Sicherheit
und des IT-Schutzes.
Ostfalia-Redaktion:
Was möchten Sie der Hochschule zum 50-jährigen Bestehen gerne noch sagen?
Peter Franke:
Die Ostfalia ist eine Hochschule, die die Kommunikation innerhalb und außerhalb
sehr gut pflegt. Sie hat nicht nur technische Innovationen immer kritisch beäugt, sie hat sie auch
intensiv gefördert. Eine sehr gute Mischung, wie ich finde, die sie beibehalten sollte. Dem
Rechenzentrum und unseren Ideen ist das bisher gut bekommen.
Sie gehört zu den besten Hochschulen in Deutschland, in Niedersachsen ohnehin.
Bewahrt Eure Offenheit, die tolle interne Kommunikation und das gute Miteinander, auch wenn es mal schwierig wird. Ich drücke Euch die Daumen für die Zukunft. Aus der Ferne und mit mehr Distanz verfolge ich den Weg der Ostfalia weiterhin mit Spannung.