Der Wert der sozialen Arbeit: Selbstbewusst zwischen Ökonomisierung und Erwartungsdruck

  • 09.11.20 11:22
  • Katja Lüdemann

Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt geht der Frage nach: Wie weit kann Menschlichkeit ökonomisiert werden?

 

„Soziale Arbeit bewegt sich zunehmend im Spannungsfeld von ökonomischer Kontrolle auf der einen, sowie hohen Erwartungen an die Leistungserbringung auf der anderen Seite. Die Wünsche an die soziale Arbeit und die Bereitschaft der Gesellschaft, Verantwortung für die Benachteiligten in unserem Land zu übernehmen, scheinen sich zu widersprechen.“ 1 Mit diesen Worten umschreibt die Contec,  eine bundesweit tätige Unternehmens- und Personalberatung der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, das Kernthema auf dem „Zukunftsforum Soziale Arbeit“. Stand auf dem Forum in Berlin die Frage im Mittelpunkt, was die Soziale Arbeit einer Wohlfahrtsgesellschaft wie der unseren Wert ist. Dabei kristallisierte sich auch heraus, dass der Fachkräftemangel, komplexer werdende Bedarfe der Klientel sowie die gesetzlich verankerte Personenzentrierung ein neues Selbstverständnis und Organisationsentwicklungsmaßnahmen in der sozialen Arbeit erfordern.

Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt von der Fakultät Handel und Soziale Arbeit der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften ging in ihrem Vortrag der Frage nach, wie weit Menschlichkeit ökonomisiert werden kann. Es galt einen wissenschaftlichen Blick auf die Thematik zu werfen. Ausgehend vom politischen Hintergrund, der Agenda-Politik unter der Regierung Schröder, wurden die Auswirkungen der Ökonomisierung auf die Organisation und das Personal bei sozialwirtschaftenden Trägern aufgezeigt und die wissenschaftliche Debatte zum Pro und Contra Ökonomisierung skizziert. Zum praktischen Umgang wurden verschiedene Anregungen gegeben:

  • Als Paradigmenwechsel sollte die Soziale Arbeit Instrumente der Betriebswirtschaft ihrerseits für sich in den Dienst stellen und insofern instrumentalisieren (im System arbeiten).
  • Soziale Arbeit sollte sich gemäß der Forderung des Berufsverbandes DBSH (re-)politisieren bzw. im Sinne des Dritten Mandats politisch agieren wie es die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Staub-Bernasconi fordert. Dies wurde unter dem Stichwort „Soziallobbyismus betreiben“ aufgezeigt (am System arbeiten).
  • Anhand von Zitaten verschiedener Wohlfahrtsverbände wurde die Bedeutung einer geänderten Haltung der in Sozialberufen Tätigen verdeutlicht. Es gilt mit einem professionellem Standing gegenüber Ökonomen aufzutreten.

Aufgrund von Lehrverpflichtungen hielt Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt den Vortrag als einer von wenigen online. Die meisten Referent*innen waren noch vor dem Lockdown persönlich in Berlin anwesend.

Tabatt-Hirschfeldt_Zukunftsforum

Per Videotelefonie zugeschaltet, sprach Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt auf dem
„Zukunftsforum Soziale Arbeit“ in Berlin.                                       

 

Welche Herausforderungen sich durch das Spannungsfeld aus gesteigerten Erwartungen und Wirtschaftlichkeit ergeben und wie diesen zu begegnen ist wurde diskutiert und Ansätze für Lösungen wurden erarbeitet. Dies gestaltete sich abwechslungsreich durch Impulsvorträge, Podiumsdiskussionen und Workshop-Sessions. So diskutierten am ersten Forumstag beispielsweise zum Thema „Welche Verantwortung will und muss die Gesellschaft für ihre soziale Arbeit übernehmen?“ Dr. Ullrich Schneider (Hauptgeschäftsführer Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband), Claudia Langholz, (geschäftsführendes Vorstandsmitglied AFET Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.), Gerwin Stöcken (Sprecher Nationale Armutskonferenz) mit Kymon Ems, einem Studenten im Masterstudiengang Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen.

 

 

Text: Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt und Katja Lüdemann

Screenshot: Prof. Dr. A. Tabatt-Hirschfeldt

1) Quelle: Internetauftritt der Contec; https://www.contec.de/eventdetails/2-zukunftsforum-soziale-arbeit/

 

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