„Aktuelle Herausforderungen an die Lehre in der Sozialwirtschaft“

  • 18.10.21 09:26
  • Katja Lüdemann

Die Herausforderungen für die Lehre in der Pandemiezeit und wie es danach weitergeht stand bei der Hybrid-Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft an Hochschulen e.V. (BAG) auf der Tagesordnung. In Kooperation mit der Fachgruppe Sozialwirtschaft der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) kamen rund 40 Professorinnen und Professoren an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld zusammen.

Prof. Dr. Ludger Kolhoff von der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/Wolfenbüttel (Campus Wolfenbüttel) und Vorsitzender der BAG Sozialmanagement/ Sozialwirtschaft führte durch die Veranstaltung. Sein Vortrag beinhaltete einen Bericht von 20 Jahren Master „Sozialmanagement“. Er zeigt einen Boom der noch jungen Studiengänge des Sozialmanagements/ der Sozialwirtschaft, insbesondere im Masterbereich, auf. Im Master-Studiengang an der Ostfalia werden die verschiedene Funktionssysteme Soziale Arbeit, Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie ihre impliziten Logiken im Binnen- und Außenverhältnis behandelt. Das berufsbegleitende Fernstudium wechselt dabei zwischen Selbstlernen (asynchron), sowie Präsenzphasen und Coaching (synchron). Der Anteil männlicher Studierender ist mit durchschnittlich 40 Prozent doppelt so hoch wie im grundständigen Bachelorstudiengang Sozialer Arbeit.

 

Vortrag von Prof. Dr. Ludger Kolhoff (Ostfalia, Campus Wolfenbüttel)
Prof. Dr. Ludger Kolhoff führte durch die Veranstaltung.

 

Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt, Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/Wolfenbüttel (Campus Suderburg) und stellvertretende Vorsitzende der BAG berichtet über das BAG Netzwerk Studienmaterialien und Lehrvideos. In verschiedenen Feldern des Sozialmanagements erstellen Lehrende und Forschende Lehrvideos in den Formaten Impulsvideo (5 Min.), Einführungsvideo (20 Min.) bzw. Lehrvideo (45 Min.). Der Zugang zum Professor*innen-Netzwerk ist an eine Einverständniserklärung zur Nutzung geknüpft, um das geistige Eigentum der Urheber*innen zu schützten. Die Lehrvideos eignen sich innerhalb der synchronen Lehre, eingebunden in das jeweilige didaktische Konzept der Lehrenden.

 

Vortrag Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt (Ostfalia, Campus Suderburg)
Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt berichtet über das BAG Netzwerk Studienmaterialien und Lehrvideos.

 

Prof. Dr. Gabriele Vierzigmann von der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium e.V. (DGWF, Live-Zuschaltung) fordert ein Umdenken von einer Inputorientierung (Studierende passen sich an die Hochschule an) zu einer Outputorientierung im Sinne einer Verständigung über „gute digitale Lehre“ und „gute digitale wissenschaftliche Praxis“. Sie stellt den Bedarf an digitalen Kompetenzen für den Umbau der Lehre heraus (kritische Reflexion digitaler Medien, Kompetenzen selbstbestimmter Nutzung und Gestaltung) sowie der (Nach-)Qualifikation der Lehrenden. Für das Postpandemic Teaching gewinnt die Entwicklung und Gestaltung multidimensionaler Lehr-Lernangebote an Bedeutung. Notwendig ist die Forschung zur Wirkung von (digitalen) Lehrkonzepten und zu den Faktoren, die Lernerfolge gewährleisten. Hierzu regt sie den Austausch über Kooperationen in Hochschul-Netzwerken an.

Prof. Dr. Maik Arnold von der FH Dresden (Live-Zuschaltung) problematisiert, dass die Medien in den Fokus der Lehre geraten sind und fordert, die Fachdidaktik in den Vordergrund zu stellen, auf deren Basis die Medien genutzt werden. Er stellt als verschiedene Möglichkeiten der Fachdidaktik in der Sozialwirtschaft die Sachanalyse (Fachlandkarte), Bedingungsanalyse (Didactical Framework), Didaktische Reduktion und Schwerpunktsetzung (Beispiel Organisationsentwicklung) und Methodisierung (Didaktisches Rad) vor.

Prof. Dr. Jörg Martens und Prof. Dr. Tim Hagemann der gastgebenden FH Diakonie berichten über die didaktischen Rahmenbedingungen für synchrone und asynchrone Seminare. Die abrupte Umstellung auf E-Learning durch die Corona-Pandemie stellte Lehrende wie Studierende vor vielfältige Herausforderungen. An der FH Bielefeld wurde die synchrone mit der asynchronen Lehre verschränkt: Die Studierenden arbeiten sich zunächst mittels Lehrvideos in die Materie ein (asynchron: ortsunabhängig, mehrfach abrufbar), bei einem synchronen Webinar werden Fragen beantwortet und die Thematik auch in Form von Gruppenarbeiten vertieft. Dann werden asynchron Aufgaben, z.B. anhand von Fallstudien, bearbeitet und wieder im Rahmen eines synchroneren Webinars die Ergebnisse präsentiert sowie die Materie weiter vertieft.

Prof. Dr. Birgit Wolf lehrt sowohl am Touro College Berlin als auch an der FH Bielefeld und stellt die studentische Sicht auf die Onlinelehre dar. Vorab berichtet sie, dass sechs Prozent der Studierenden in Deutschland keinen Zugang zum Internet haben. Prof. Dr. Wolf befragte 140 Studierende an beiden Hochschulstandorten in zwei Semestern (Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/2021, die Fragebögen wurden quantitativ mittels Regressionsanalyse analysiert). Ein erster Fokus bestand in der Frage, welche Faktoren einen positiven Effekt auf den Kompetenzgewinn der Studierenden haben. Voraussetzung dafür ist der Zugang zu verschiedenen technischen Tools. Als wesentlich stellte sich die soziale Interaktion bei der Online-Lehre heraus. Ein zweiter Fokus wurde daher auf die förderliche Gestaltung von Breakout-Zeiten für Kompetenzgewinne gelegt. Im Ergebnis kann Online-Lehre soziale Interaktionen ermöglichen:

  • durch die Nutzung von Breakout Sessions während synchron durchgeführter Veranstaltungen,
  • durch stabile und möglicherweise selbst ausgesuchte Zusammensetzung der Gruppen,
  • durch die besondere Betonung der Kameranutzung während der Breakout Sessions.

Prof. Dr. Klaus Grunwald (Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart, Live-Zuschaltung) referierte über klassische Lehrmaterialien, exemplarisch anhand der Reihe „Basiswissen Sozialwirtschaft und Sozialmanagement“. Er nutzt Texte in der Lehre nach dem Konzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI) von Ruth Cohn, wonach Thema, Einzelperson und jeweilige Gruppe in einer dynamischen Balance stehen. Bei der synchronen Vorbereitung wird die Lektüre eingeteilt, wobei genaue Vorgaben wesentlich sind. In den Arbeitsgruppen sind eine zeitliche Strukturierung sowie unterschiedliche Rollenwahrnehmungen durch die Studierenden von Bedeutung. Wichtig ist die sorgfältige Steuerung des Miteinanders in der AG (Rollenverteilung klären, eventuell Prozessreflexion). Damit wird eine weitere Gestaltungsmöglichkeit von Breakout-Räumen aufgezeigt. Anschließend erfolgt der Austausch im Plenum mit zentralen Diskussionspunkten, wobei explizit mit Fragen und Erfahrungen aus der eigenen Praxis verknüpft wird.

Die Hybridtagung wird mit einer Podiumsdiskussion, moderiert von Prof. Dr. Andrea Tabatt-Hirschfeldt, abgeschlossen. Dabei wird die Möglichkeit hybrider Lehre diskutiert und mehrheitlich aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt:

  • Ressourcenintensiv: mehrere Raumkameras und Technikunterstützung in den Lehrsälen erforderlich.
  • Überforderung der Lehrpersonen: z.B. hat Frau Prof. Dr. Wolf Erfahrung in der hybriden Lehre und spricht sich dagegen aus, weil sie ihre Aufmerksamkeit mehrheitlich auf die in Präsenz befindlichen Studierenden lenkt und den online Zugeschalteten nicht genug Aufmerksamkeit zukommt. Hinzu kommen Fragen aus dem Chat, die leicht übersehen werden.
  • Unzureichende soziale Interaktion: die soziale Interaktion lässt sich in einer geteilten Gruppe (Präsenz / Online) unzureichend herstellen. Hier sollte man sich entweder für Präsenz oder für Online-Lehre (Breakout-Räume) entscheiden.
  • Fehlanreize: hybride Lehre birgt den Anreiz zum „Konsumieren der Lehre“.

Die Beteiligten sind sich einig, dass es beim Postpandemic Teaching kein Zurück in die reine Präsenz Lehre vor Corona geben sollte. Dies käme einen Rückschritt gleich. Aus den Erfahrungen sollte vielmehr auf Grundlage eines didaktischen Konzeptes ein Mix aus asynchroner und synchroner Lehre gestaltet werden. Die Einbindung von Caching, insbesondere in berufsbegleitenden Studiengängen, ist dabei Teil des didaktischen Konzeptes und unabhängig vom Lehrformat.

 

Das besondere Format der Hybrid-Tagung wurde durch drei Raumkameras und einen Techniker, der Vorträge aus der Live-Zuschaltung und Fragen aus dem Chat koordinierte, gewährleistet.

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