Zeitzeug*innen im Interview

Prof. Roswitha Bender

Prof. Roswitha Bender

Die ehemalige Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit, Prof. Roswitha Bender, gehört seit 1974 zur Hochschule und ist auch nach ihrer Pensionierung im Jahr 2012 noch immer als Lehrbeauftragte an der Ostfalia aktiv.

 

Ostfalia-Redaktion:
Frau Prof. Bender, Sie sind bereits seit 1974 an der Ostfalia, ehemals Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, aktiv – was haben Sie an der Hochschule schon alles gemacht?

Prof. Roswitha Bender:
Vom Sommersemester 1974 bis Ende Sommersemester 2012 war ich an der Fakultät Soziale Arbeit beschäftigt, zuerst als Studienrätin z.A. (also „zur Anstellung“ bzw. als Beamtin auf Probe), dann als Professorin. Mein Lehrgebiet war Psychologie der Beratung, Entwicklungspsychologie sowie Psychosoziale Arbeit mit Einzelnen und Gruppen. Vom Sommersemester 2003 bis Ende Wintersemester 2011 war ich als Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit aktiv. Während meiner Tätigkeit an der Ostfalia war ich fast durchgängig Mitglied diverser Hochschulgremien wie Fachbereichsrat, Fakultätsrat, Senat und früheres Konzil. Als Vorsitzende der vom Senat gewählten Frauenkommission erarbeitete ich gemeinsam mit Elvi Thelen, damals Leiterin des Frauenbüros, den ersten Frauenförderplan der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel und heutigen Ostfalia. Seit 1.9.2012 bin ich pensioniert, arbeite aber weiterhin als Lehrbeauftragte mit zurzeit drei Lehraufträgen im Masterstudiengang Sozialmanagement sowie in der Begleitung von Studientagsgruppen im Berufsanerkennungsjahr.

 

Ostfalia-Redaktion:
Welche Herausforderungen bestanden insbesondere in den 1970er-Jahren im Fachbereich Sozialwesen?

Prof. Roswitha Bender:
Der Fachbereich Sozialwesen, heute Fakultät Soziale Arbeit, war damals in Braunschweig ansässig. Er war unterteilt in zwei Fachrichtungen: Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Zunächst war der Fachbereich bis 1974 provisorisch in Braunschweig in der Grünewaldstraße, im ehemaligen Militärgebäude, untergebracht. Dann erfolgte der Umzug in die Stadtmitte, Küchenstraße, und 1985 in die Weststadt von Braunschweig. Die große Herausforderung bestand für mich in der Trennung der beiden Kollegien. Sowohl in der Lehre als auch auf der persönlichen Ebene führte dies in meiner Wahrnehmung zu einer gewissen Distanz. Es gab getrennte Lehrangebote für oft kleine Studierendengruppen, und die Kommunikation im Kollegium gestaltete sich wegen der fachlichen Unterschiedlichkeit teils etwas schwierig. Auch das Inkrafttreten des Niedersächsischen Hochschulgesetzes im Jahr 1978 machte die Zusammenarbeit nicht leichter: Durch die Übernahme des Amtes der Fachhochschullehrerin in das Amt einer Professorin ergaben sich unterschiedliche Eingruppierungen in die C-Besoldungsgruppen. Dies rief innerhalb des Kollegiums keine gute Stimmung hervor, denn das bedeutete gleiche Tätigkeitsmerkmale, aber unterschiedliche Bezahlung. Ein unbefriedigender Zustand für alle.

 

Ostfalia-Redaktion:
In Ihrer Amtszeit als Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit haben Sie die Lehre und Forschung weitgehend geprägt. Was sind aus Ihrer Sicht zentrale Entwicklungslinien der Fakultät seit den 1970er-Jahren?

Prof. Roswitha Bender:
Besonders bedeutsam war für mich die interne Aufhebung der zwei Fachrichtungen hin zu einer Fakultät Soziale Arbeit und damit zu einem Kollegium. Hierzu mussten wir ein einheitliches fachliches Profil „Soziale Arbeit“ entwickeln, ohne jedoch das Spezifische der jeweiligen Fachrichtung aus den Augen zu verlieren. Dies gelang uns in einer neuen Studienordnung recht gut: Wir entwickelten Studienschwerpunkte, welche das Wesentliche der bisherigen Arbeit für das Studium bewahrten sowie den Studierenden neue inhaltliche Vertiefungen und Spezialisierung ermöglichten.

Neu war ebenfalls die Einführung und Entwicklung des sogenannten Projektstudiums. Hier konnten und können auch heute noch die Studierenden im Theorie-Praxisverbund das notwendige theoretische Wissen sowie die Umsetzung in professionelles Handeln einüben. Die Fakultät Soziale Arbeit war durch diese innovative Studienform auch mit den verschiedenen Einrichtungen aus der beruflichen Praxis in der gesamten Region Braunschweig-Wolfenbüttel sehr gut vernetzt.

Ein weiterer wichtiger Entwicklungsschritt war die Einführung von Computern, die unseren Arbeitsalltag sehr verändert hat. Seit den 90er Jahren wurde auch der Aspekt der Forschung für das Kollegium relevant. Es wurden die ersten Forschungssemester beantragt und eine größere Verwissenschaftlichung des Studiums angestrebt.

Während meiner Zeit als Dekanin stand der aus meiner Sicht größte Umbruch und damit auch die größte Herausforderung an: der Übergang vom Diplomstudiengang zum Bachelor gemäß des Bologna-Prozesses beziehungsweise im Rahmen der Europäisierung des Studiums. Dies war innerhalb des Kollegiums eine äußert anstrengende Zeit, weil wir im Dekanat alle Lehrenden in diesem Umstrukturierungsprozess „mitnehmen“ wollten, was uns trotz der hohen Belastung letztendlich auch gelang. Für die Fakultät bedeutete dieser Prozess durch die Einführung von Masterstudiengängen eine erhebliche Erweiterung ihres Möglichkeitsspektrums.

 

Ostfalia-Redaktion:
Im Jahr 2010 ist die Fakultät von Braunschweig nach Wolfenbüttel umgezogen. Welche Chancen bot der neue Campus „Am Exer“ aus Ihrer Sicht?

Prof. Roswitha Bender:
Dies war für die Fakultät ein sehr schwieriges Unterfangen, da viele sowohl der Lehrenden als auch der Studierenden nicht aus Braunschweig weg wollten. Fast alle Praxisstellen der Studierenden befanden und befinden sich auch heute noch in Braunschweig. Andererseits lief unser Mietvertrag in Braunschweig aus und die Stadt konnte uns für die inzwischen stark angewachsene Fakultätsgröße auf gut 1200 Studierende in Braunschweig keine angemessenen Räumlichkeiten anbieten, sie hatte uns – und das ist mein persönlicher Eindruck – mit unserer Bedeutsamkeit für die Stadt völlig falsch eingeschätzt. Der Umzug nach Wolfenbüttel bot auch Vorteile, wie z.B. Kooperationsmöglichkeiten durch die Nähe zu den vor Ort ansässigen anderen Fakultäten, zum Präsidium sowie zu zentralen Einrichtungen wie dem Rechenzentrum, der Gesamtbibliothek und zur Verwaltung.

 

Ostfalia-Redaktion:
In Ihrer Zeit an der Hochschule haben Sie stets auf eine praxisorientierte Ausbildung der Studierenden großen Wert gelegt. Warum ist eine Praxisorientierung insbesondere im Bereich der Sozialen Arbeit so wichtig?

Prof. Roswitha Bender:
Nach Beendigung des sechssemestrigen Studiums arbeiten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den unterschiedlichsten Praxisfeldern. Sie müssen sofort in der Lage sein, das im Studium erworbene theoretische Wissen verantwortungsbewusst in konkretes praktisches Tun am und mit Menschen in schwierigen Lebenslagen umzusetzen. Ich selbst habe zwölf Semester studiert und im Anschluss daran eine mehrjährige therapeutische Ausbildung absolviert. Diesen „Luxus“ der Professionalisierung und des Kompetenzerwerbs haben Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bei ihrer Ausbildung nicht. Deshalb ist für mich der Theorie-Praxisverbund immer die Leitlinie meines beruflichen Handels gewesen: Studierende so gut wie möglich auf ihre komplexen und schweren beruflichen Herausforderungen vorzubereiten.

 

Ostfalia-Redaktion:
Auch nach Ihrer Pensionierung sind Sie weiterhin als Lehrbeauftragte in einigen Lehrveranstaltungen aktiv. Was macht sowohl persönlich als auch fachlich Ihre Verbindung zur Hochschule aus?

Prof. Roswitha Bender:
Mir macht die Lehre auch weiterhin sehr viel Freude: Den Erwerb und die Weitergabe von Wissen im psychosozialen Feld – und manchmal auch von Erfahrungen – erlebe ich immer wieder als befriedigend. Ich genieße auch die Freiheit des höheren Lebensalters, dass ich nicht mehr in das Rahmenkorsett einer Berufstätigen mit all seinen Verpflichtungen eingebunden bin. Persönlich kenne ich noch viele Kolleginnen und Kollegen. Neuen Mitgliedern der Fakultät biete ich – soweit gewünscht – gerne meine Hilfe bei der Vernetzung im psychosozialen Feld an.

 

Ostfalia-Redaktion:
Was möchten Sie der Hochschule zum 50-jährigen Bestehen gerne sagen?

Prof. Roswitha Bender:
„Die Fachhochschulen dienen den angewandten Wissenschaften oder der Kunst durch Lehre, Studium und Weiterbildung sowie der praxisnahen Forschung und Entwicklung“. Ich wünsche der Hochschule, dass dieser Baustein aus dem Niedersächsischen Hochschulgesetz − besonders im Hinblick auf die angewandten Wissenschaften − als das Besondere der Einrichtung wahrgenommen und auch in der Zukunft gelebt wird.