ZuFOR vor Ort – am 2. Mai 2018 auf dem Automotive Trend Forum in Wolfsburg

  • 03.05.18 11:58
  • Gabriele Stiller

"Ohne Gesellschaft geht nichts?! Die neuen Ansätze der Mobilitätsforschung"

v.l.n.r. Andreas Jain, Harald Bachem und Torben Quickert

Das jährlich in Wolfsburg stattfindende Automotive Trend Forum (ATF) startete am 02. Mai 2018 mit dem Automotive Talk Bar Camp: 14 parallel laufende Workshops in den Logen der VfL Wolfsburg Arena. Im ZuFOR-Workshop mit Dr. Harald Bachem, Professor am Institut für Fahrzeugbau, und Dr. Andreas Jain, Professor am Institut für Tourismus- und Regionalforschung, kamen zwölf Teilnehmer aus dem Bereich Automotive Vertrieb und Marketing zusammen. Während einer Stunde diskutieren sie zusammen die Bedeutung und Herausforderungen der Gesellschaft in der technologischen Entwicklung und Nutzung von Technik. Hierbei werden eine Vielzahl von Themen im Gesprächsverlauf aufgegriffen, die auch in den Vorträgen und der Podiumsdiskussion des ATF inhaltliche Schwerpunkte bildeten: Vertrauen der Gesellschaft,  Änderung von Kundenpräferenzen, Anforderungen der neuen Generation, einschneidende Innovationen und Mobilitätstrends.

 

Dr. Andreas Jain betont die Agilität der großen Kommunikationsunternehmen und deren großer Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung und den Kundennutzen: „Die Gesellschaft schenkt den großen Kommunikationsunternehmen, zum Beispiel Google, viel Vertrauen. Diese geben mit ihren Suchergebnissen und ihrem individuell zugeschnittenen Datenmanagement den Menschen ihr Mobilitätsverhalten vor.“

Wie steht es um die Reaktionsfähigkeit der Automobilhersteller? Ein Teilnehmer merkt an, dass aufgrund der Komplexität neuer Technologien diese nicht mehr in der Lage seien, die aktuellen Herausforderungen ganzheitlich zu erkennen und zeitnah zu agieren. Er verweist dabei auf den agilen Hersteller Tesla, wo auch nicht alles Gold sei, was glänze, zum Beispiel beim Erreichen der Produktionsziele und der Marktdurchdringung.

 

Wie ist der deutsche Automobilmarkt global einzuordnen? Die Gesprächsrunde ist sich einig, dass er konservativ einzuordnen ist und für den automobilen Weltmarkt mit Schwerpunkt Asien keinen Modellcharakter besitzt. Ein Diskutant betont: „Das deutsche Verkehrsaufkommen und die – global betrachtet – geringe Größe der deutschen Städte lassen sich nicht auf boomende Wirtschaftsregionen in Indien oder China übertragen. Gerade in den chinesischen Megacities werden Mobilitätskonzepte entwickelt, die auf dem heimischen deutschen Markt (noch) undenkbar sind. Da gibt es zum Beispiel Elektrotankstellen, an denen bis zu 30 Fahrzeuge gleichzeitig abgefertigt werden können.“

Was kommt nach der Elektromobilität? Das autonome Fahren sehen die Teilnehmer als das nächste große Geschäftsmodell an. Doch wird sich die Gesellschaft geschlossen darauf einlassen? Dr. Harald Bachem macht auf den Umstand aufmerksam, dass die Autofahrerinnen und Autofahrer schon Technik nutzen, welche die Kontrolle beim Autofahren übernimmt und nennt als Beispiel das Elektronische Stabilitätsprogramm, kurz ESP: „Die Tatsache, dass auch mit dem autonomen Fahren Unfälle passieren werden, bleibt unbestritten. Hierfür muss am Knautschzonenmanagement gearbeitet werden.“

Ist Mobilität überhaupt noch ans Auto gebunden? Das Gespräch kommt auf die verstärkte Individualisierung bei der Fortbewegung. Die Kundin bzw. der Kunde will nicht nur von A nach B kommen; sie bzw. er erwartet mehrere Mobilitätsalternativen im urbanen Raum. In naher Zukunft sehen die Gesprächsteilnehmer bedingt durch die fortschreitende Urbanisierung eine Mobilitätsflut aufkommen – mit einer vielfältigen Angebotsstruktur. In ihrer Wahrnehmung verliert das Auto an Image und Bedeutung, auch weil die jüngere Generation ein anderes Mobilitätsverständnis entwickelt hat, und das Auto nicht mehr als ein erstrebenswertes Statussymbol angesehen wird. Ein Teilnehmer bringt die Maslowsche Bedürfnispyramide ins Spiel: demnach könnte in Zukunft die Mobilität als eine weitere Ebene zu den Grundbedürfnissen hinzukommen. Andererseits möchte sich der Mensch von anderen abgrenzen, was über die Selbstverwirklichung und ein hochwertiges Auto funktionieren kann. So steht das Auto losgelöst von der Mobilität an der Spitze der Bedürfnispyramide. Das Auto wird zum Designobjekt, die Automobilindustrie zur Schmuckindustrie.

Wie steht es um das Vertrauen der Kundinnen und Kunden? Um den Anschluss an die Kundinnen und Kunden nicht zu verlieren, unternehmen die Automobilhersteller erste Anstrengungen, sich gesellschaftlichen Beteiligungsprozessen zu öffnen. Dr. Andreas Jain stellt in den Raum, ob der Einbezug der Gesellschaft in Form von Schwarmintelligenz vollzogen werden könnte. Dieser offenen Praxis kollektiven Wissens wird in der Soziologie das Potential unterstellt, Gesellschaft und Märkte zu transformieren. Unter den Diskussionsteilnehmern bestand jedoch grundlegende Skepsis gegenüber dieser Idee.

Die Diskussionen im Workshop zeigen, dass der Einbezug der Gesellschaft in Zukunft von großer Bedeutung sein wird. Die Gesellschaft bleibt sehr komplex und von vielen Trends beeinflusst. Dies betrifft auch die Mobilität der Zukunft, die nicht eindeutig in schwarz und weiß zu fassen ist.

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