Großer Schritt für Weiterentwicklung von Audiosystemen

Modernisierungspaket reflexionsarmer Raum mit Auralisationssystem und KEMAR-Kunstkopf abgeschlossen

Mit dem Ende des Sommersemester 2020 enden in der Fakultät Elektrotechnik der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel nicht nur die Vorlesungs- und Prüfungszeit, sondern auch die Modernisierungsarbeiten im reflexionsarmen Raum.

Lilia Lajmi und Sean-Patrik Cretti in der Akustikkabine

Ein reflexionsarmer Raum, auch schalltoter Raum oder Akustikkabine genannt, stellt die ideale Umgebung für akustische Messungen dar. Keilförmige Schallabsorber an Wänden, Decke und Boden unterdrücken Schallreflexionen und damit unerwünschte Nebengeräusche. Der reflexionsarme Raum der Fakultät Elektrotechnik der Ostfalia wurde in zweijähriger Bauzeit komplett erneuert, die gesamte Innenverkleidung mit allergiker- und umweltfreundlichen Schallabsorbern ersetzt und abschließend vom TÜV zertifiziert. Im Inneren des neuen Raumes steht ein ebenfalls neu angeschafftes Auralisationssystem. Dieses besteht aus acht Lautsprechern sowie weiteren Hard- und Softwarekomponenten. „Die Lautsprecher selbst sind ebenfalls mit Prozessoren ausgestattet und können speziell auf die Akustik ihrer Umgebung eingestellt werden. Sie sind kreisförmig angeordnet und simulieren so perfekt die Raumakustik verschiedenster Orte, beispielsweise einer Verkehrskreuzung wo der Verkehr von allen Seiten kommt“, erklärt Lilia Lajmi, für die Akustikkabine verantwortliche Professorin an der Fakultät Elektrotechnik. Im Herzen der Kabine steht ein KEMAR-Kunstkopf mit zwei Ohrsimulatoren als Nachbildung eines durchschnittlichen menschlichen Kopfes mit Oberkörper.

Die drei Komponenten in diesem Modernisierungspaket bilden eine ideale Umgebung für Forschungsprojekte oder Studienarbeiten im Bereich der Audiosignalverarbeitung: Der reflexionsarme Raum absorbiert alle störenden Nebengeräusche, das Auralisationssystem simuliert verschiedenste Raumakustik und Geräusche und der KEMAR-Kunstkopf empfängt die Tonaufnahmen und wertet diese mit Hilfe eines im Hintergrund laufenden PCs aus. Als Ergebnis erhalten die Forscher Tabellen mit den Messergebnissen.

„Diese Umgebung ermöglicht objektive Hörtests und ersetzt wochenlange Arbeit“, berichtet Sean-Patrik Cretti, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fakultät Elektrotechnik. Er schreibt gerade seine Masterarbeit zu Entwicklung und Tests binauraler Sprachcodierungsstrategien und nutzt hierfür die neue Umgebung. „Ohne das System müssten hunderte Testpersonen bis zu 7300 verschiedene Audiodateien hören und beurteilen. Das würde viele Monate in Anspruch nehmen. Jetzt starte ich das System und nach 29 Stunden habe ich mein Ergebnis.“

Ziel solcher Studienarbeiten und Forschungsprojekte ist es, Audiocodierverfahren weiter zu entwickeln, beispielsweise um die Hörqualität von Hörgeräte-Nutzern oder Cochlea-Implantat-Trägern zu verbessern. Für Träger solcher Implantate stellen Alltagssituationen mit vielen Nebengeräuschen eine Herausforderung dar. Außerdem ist es für sie schwierig zu orten, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt. Je nach Sprachcodierungsstrategie können Informationen durch die Verarbeitung des Signals verändert werden oder verloren gehen. „Diesen Menschen möchten wir mit unserer Forschung weiterhelfen. Die Fertigstellung der Modernisierungsarbeiten stellt dabei einen wichtigen Schritt dar“, berichtet Lajmi.

Die Kosten für das Modernisierungspaket belaufen sich auf 200.000 Euro. Ein Teil des Geldes – 70.000 Euro – stammt aus dem Nachlass des ehemaligen Absolventen der Elektrotechnik Siegfried Bahls, der sein Erbe der Ostfalia Hochschule überlassen hat. Ihm zu Ehren trägt der reflexionsarme Raum nun den Namen „Siegfried Bahls Akustikkabine“.

Foto: Lilia Lajmi, Professorin, und Sean-Patrik Cretti, wissenschaftlicher Mitarbeiter, bereiten Akustikmessungen im neuen reflexionsarmen Raum der Fakultät Elektrotechnik vor